„Mein schönstes Tor in meinem schönsten Spiel im Wormatia-Dress“

Das spricht die Wormser Zeitung:

3:0-Erfolg gegen Stuttgarter Kickers / Abstiegränge verlassen

War dies das beste Spiel von Wormatia Worms in drei Jahren Regionalliga-Fußball? Sie kennen das gewiss mit dem halbgefüllten Glas Wasser. Die einen sagen, ein richtig tolles Spiel gäbe doch auch nur drei Zähler – das Glas sei immer noch halb leer. Die anderen könnten gleichwohl davon schwärmen, dass da diese Saison viel mehr gehe, als immer nur ganz hinten in der Tabelle rumzukrebsen – das Glas sei halbvoll. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Die Fakten zum prima Kick zwischen den beiden Traditionsvereinen Wormatia Worms und Stuttgarter Kickers lauten jedenfalls: Wormatia drei Tore, Stuttgart null Tore, Wormatia drei Punkte, Stuttgart null Punkte, Wormatia ist die Rote Laterne zum Abschluss der Vorrunde los und verlässt die Abstiegsränge. Das 3:0 (1:0) und vor allem die überzeugende Art und Weise des Sieges über die hoch gehandelten Stuttgarter Kickers, die immerhin mit einer Visitenkarte von elf Treffern in den beiden letzten Spielen angereist waren, macht in der Nibelungenstad Hoffnung auf einen erfolgreichen Saisonverlauf in der Rückrunde.

„Wir haben heute gegen eine speziell in kämpferischer Hinsicht überlegene Mannschaft keinerlei Mittel gefunden. Wormatia war eindeutig besser, Punkt!“ Kann es ein schöneres Kompliment aus dem Munde eines ehemaligen deutschen Fußball-Nationalspielers für den bisherigen Tabellenletzten geben? Dirk Schuster, Trainer der Stuttgarter Kickers, sprach die Worte, und sein Wormser Kollege Ronny Borchers lauschte beinahe andächtig. „Ich kann mich Dirk nur anschließen“, lautete deshalb das erste knappe Statement von Borchers, ehe er nach einer kurzen Pause noch nachschob, „dass ihn die inzwischen offenkundige Stabilität seiner Mannschaft glücklich mache“.

Verwundert, aber nicht ganz so glücklich wie Borchers, schauten die meisten Fußballfans im weiten Rund zwischen der 64. und 68. Minute drein. Wormatias Offensive feuerte aus allen Fußballstiefeln auf den Kickers-Kasten von Torhüter Daniel Wagner. Lucas Oppermann, Sandro Rösner, wieder Oppermann und schließlich Marco Stark hatten das 2:0 auf dem Schlappen oder dem Kopf. Chancen über Chancen. Den zu diesem Zeitpunkt längst überfälligen zweiten Treffer erzielte Oppermann (endlich) nach genialem Zuspiel von Arbeitsbiene Frank Schröer (73.). Einen traumhaften Tag für die Wormser machte Kevin Wittke vollkommen, als er einen gescheiten Pass von Rudi Hübner über Gästekeeper Wagner hinweg zum 3:0 ins Tor lupfte (86.).

Träumen durfte man beim Wormser Anhang allerdings schon nach 34 Minuten. „Mein schönstes Tor in meinem schönsten Spiel im Wormatia-Dress“, umschrieb Rudi Hübner jenen Schuss Marke „Tor des Monats“, welchen der spielstarke Wormatia-Stürmer zur verdienten 1:0-Halbzeitführung unhaltbar in den Winkel zimmerte. Und Stuttgart? Die erstaunlich zahmen Männer aus der Schwabenmetropole brachten einen einzigen gefährlichen Kopfball von Simon Köpf zustande (20.). Das blaue Wunder „der Blauen“ in der Nibelungenstadt geriet für einige Kickers-Anhänger wohl etwas zu blau. Tumulte der etwa 200 Stuttgart-Fans kurz vor Ende und nach der Partie sorgten für den einzigen Wermutstropfen an einem sonst perfekten Fußballtag für die Gastgeber.

Freude über Freikarten

Ein gutes Dutzend Kids wartet ungeduldig mit Wormatia-Saisonheften in der Hand vor der Bühne, wo sich im Vereinsheim des VfR Wormatia Worms gerade die Pressekonferenz in den letzten Zügen befindet. Wormatia-Trainer Ronny Borchers spricht begeistert von der Freikarten-Aktion an Wormser Schulen, die etwa 500 Schulkinder ins Stadion lockte. „Wir hatten heute so viele Kinder hier, ein Heimsieg, eine tolle Stimmung – so werden aus jungen Menschen Fußballfans.“ Dann geben Borchers und sein Stuttgarter Kollege Dirk Schuster fleißig Autogramme.

Rückblende. Gut zwei Stunden zuvor sammelt Lehrer Lothar Knecht von der Geschwister-Scholl-Schule seine „kleinen Schäfchen“ vor den Kassenhäuschen am Eingang ins Stadion. Die 13-jährige Julia ist auch dabei. „Ja, ich freu’ mich schon riesig auf das Fußballspiel gleich“, verrät das Mädel lächelnd. 25 bis 30 Kinder marschieren nun mit ihrem Lehrer los in Richtung Stehränge. Dort haben es sich schon vier Knirpse an einem Wellenbrecher gemütlich gemacht. Marcel (9) und Dimo (9) aus der 4c der Paternus-Schule in Pfeddersheim fiebern mit Ronny (9) und Tim (10) aus der 4a der Diesterweg-Schule in Pfiffligheim dem Anpfiff entgegen. Alle drücken Wormatia feste die Daumen: „Wir hauen Stuttgart heute weg, ich tippe auf ein 3:1“, sagt Ronny euphorisch. Weit weg vom 3:0-Endergebnis liegt er damit nicht.

Zwei Treppenstufen darüber schwenkt Arne Hendrik-Jacoby seine Wormatia-Fahne. Vom größeren Bruder Paul-Ruwen hat der achtjährige Schüler der Paternus-Schule das rot-weiße Banner mitbekommen. „Hier unterstützen doch so viele Wormatia“, sagt Arne, „da will ich mit dabei sein.“ Dabei sind Arne, Julia, Marcel, Dimo, Ronny und Tim aber auch, als die Gästefans randalieren. Hoffentlich bleiben bei den jungen Fans nicht nur die Gewaltszenen im Kopf hängen.

Das spricht die Stuttgarter Zeitung:

Schwarzer Samstag der Blauen

Regionalliga Die Stuttgarter Kickers blamieren sich beim 0:3 in Worms nicht nur auf dem Platz. Es droht ein Nachspiel.

Der Sportkoordinator Michael Zeyer hat in der Vorrunde alle Spiele der Stuttgarter Kickers gesehen, bis auf das letzte. Am Samstag zog es der Exprofi vor, einen Oberligaspieler zu beobachten, weil er davon ausgegangen war, dass die Mannschaft den kleinen Aufschwung der vergangenen beiden Spiele wird fortsetzen können. Stattdessen gab es einen Rückschlag – 0:3 beim Schlusslicht der Fußball-Regionalliga und dazu noch Ausschreitungen von Kickers-Fans am Rande der Partie.

Schlimmer hätte die Vorrunde nicht enden können. Platz neun wie im Vorjahr; Fortschritt also gleich null. “Natürlich hinken wir hinter den Erwartungen her”, sagt Zeyer, der den Trainer Dirk Schuster deshalb aber – genau wie der Präsident Edgar Kurz – nicht explizit infrage stellt. “Das mache ich nicht von einem Ergebnis abhängig, sondern von der Entwicklung der Mannschaft.” Die verläuft allerdings äußerst schwankend, der Trainer selbst spricht von einer Achterbahnfahrt. Der Auftritt in Worms gehörte dabei in die Kategorie Tiefpunkt, was Zeyer zumindest in seiner Ansicht bestärkt. “dass noch lange nicht alles so läuft wie gewünscht. Wir müssen die Fehler einfach ansprechen und abstellen”, sagt der Sportkoordinator angesichts der durchaus professionellen Verhältnisse unter denen der Verein arbeitet, ohne ins Detail gehen zu wollen.

Offen ist noch, ob der Kader in der Winterpause (perspektivisch) verstärkt wird, oder aber angesichts der aussichtslosen Lage, was den Aufstieg angeht, nicht eher abgespeckt wird. “Wir müssen immer die sportliche, aber auch finanzielle Seite im Auge haben”, sagt Zeyer mit Blick auf die Probleme zum Beispiel beim Ligarivalen SSV Ulm. “Aber das sind alles Dinge, die wird zunächst intern besprechen.”

Da zumindest liegt er mit Schuster auf einer Wellenlänge: “Natürlich hatten wir nach den zwei letzten Auftritten gedacht, dass wir schon weiter sind.” So aber sieht der Coach von morgen an Handlungsbedarf: “Wir müssen nochmals Reizpunkte im Zweikampfverhalten setzen, wo uns die Wormser überlegen waren, und sicher auch im mentalen Bereich etwas machen.”

In Worms hat dem Spiel die Sicherheit am Ball gefehlt, zudem fehlte zum wiederholten Male ein Führungsspieler, auch ein Oliver Stierle konnte diese Rolle nicht erfüllen – sonst wäre der Stuttgarter Verteidiger kaum ausgewechselt worden.

Wegen Ausschreitungen musste die Partie in der 76. Minute kurzzeitig unterbrochen werden, nach dem Schlusspfiff kam es dann zu weiteren Ausschreitungen, aber nicht zu Festnahmen. “Die Vorfälle werden ein Nachspiel haben”, sagte ein Beamter der Polizei, die auch Pfefferspray einsetzte. Der Kickers-Geschäftsführer Jens Zimmermann wollte sich gestern nicht abschließend äußern, weil er ebenfalls nicht vor Ort war. Nur so viel: angeblich seien die Kickers-Fans auch von angereisten Anhängern des SV Waldhof Mannheim provoziert worden: “Das werden wir diese Woche noch aufarbeiten müssen.” Man sieht, es gibt viel zu tun – und das eine Woche vor der Hauptversammlung nächsten Montag.