| Koblenz:''Noch nicht über dem Berg''

09.06.2003

TuS-Vorsitzender Gauggel: Nach dem glücklichen Saisonende kämpft der Oberligist mit Nachwehen

Sportlich hat Fußball-Oberligist TuS Koblenz die erste Saison nach dem Insolvenzantragsverfahren schadlos überstanden. "Wir sind aber noch nicht über den Berg", erklärt der Vorsitzende Bruno Gauggel bei seiner Rückschau auf die zurückliegenden Monate.


KOBLENZ. Wie er so da sitzt hinter seinem mit Akten vollgepackten Schreibtisch im dritten Stock des Bürogebäudes an der Kreuzung von Clemens-, Gymnasial- und Casinostraße und den Blick durchs Fenster in Richtung Wöllershof streifen lässt, da kommen Bruno Gauggel gleich mehrfach die Worte "Gott sei Dank" über die Lippen. "Gott sei Dank", sagt der Vorsitzende des Fußball-Oberligisten TuS Koblenz, "haben wir Milan Sasic gefunden", "... haben er und Peter Simon eine Mannschaft zusammenstellen können", "... hatten wir keinen Fehleinkauf", "... haben die Jugendlichen überraschend gut eingeschlagen". Gott sei Dank, sagt Gauggel also, "hat es sportlich mit dem Klassenverbleib geklappt."

Für Luftsprünge jedoch, daran lässt der TuS-Chef im gleichen Atemzug keine Zweifel, besteht nicht die geringste Veranlassung. Dafür hat nicht zuletzt die zurückliegende Woche viel zu schlecht für die TuS begonnen. Vom Arbeitsgericht Koblenz hat Gauggel die schriftlichen Urteile gleich mehrerer Verfahren zugestellt bekommen, in denen Gehaltsempfänger des letztjährigen Kaders - nach Informationen der Rhein-Zeitung mindestens sechs Personen - ausstehende Zahlungen eingeklagt haben. Erfolgreich. Das Gericht sei, ließ einer der Klageführenden die RZ wissen, der Argumentation gefolgt, dass es bei der Abwicklung des Insolvenzantragsverfahrens - anders als vor einem Jahr öffentlich verkündet - "keine juristisch haltbare Verzichtserklärung" der gesamten Mannschaft gegeben habe.

Zur Erinnerung: Sowohl Gauggel wie auch der vorläufige Insolvenzverwalter hatten seinerzeit stets davon gesprochen, "dass die Spieler der ersten Mannschaft erklärt hätten, freiwillig - d.h. notfalls auch ohne weitere Gehaltszahlungen - weiterspielen zu wollen" (RZ vom 26. April 2002). Jetzt sieht sich Rechtsanwalt Gauggel vor Gericht mit Spielern konfrontiert, "mit denen sich der Verein nicht geeinigt hat, oder die ihre Zusage, sich zu einigen, nicht eingehalten haben", und kündigt dementsprechend Berufungsanträge an. Immerhin geht es in Einzelfällen um Bezüge für drei bis sechs Monate.

Nicht unerheblicher Verlust

Aber auch ohne diese Nach wehen wäre TuS Koblenz "noch nicht über den Berg", wie Gauggel anmerkt. Nicht allein, dass der Verein noch Altforderungen der Berufsgenossenschaft zu begleichen hat. In der Saison 2002/2003 sei zudem "ein nicht unerheblicher operativer Verlust eingefahren" worden. Die Höhe nennt Gauggel nicht, sie soll sich jedoch in der Nähe zum sechsstelligen Euro-Bereich befinden. Wie das? "Wir konnten es uns im vergangenen Jahr einfach nicht leisten, auch teurere Spieler abzuweisen - weil wir sonst in der Kürze der Zeit gar keine Mannschaft zusammenbekommen hätten", erklärt der Vorsitzende. Vor einem Jahr habe der Verein bis kurz vor der Saison "weder Spieler noch Sponsoren", geschweige denn einen Haushalt gehabt und ergo auf viele Fragen zunächst einmal passen müssen. Die Folge: Der Klub lebte von der Hand in den Mund, kratzte die erforderlichen Euro nicht selten von einem Monat auf den nächsten zusammen. Und so hat Gauggel gerade erst bei einem Sponsorentreffen mit den vorhandenen Partnern zu erörtern versucht, wie die Finanzlücke nachträglich zu schließen ist.

Auf derartige Art und Weise will der Vorsitzende den Oberligisten aber nicht noch einmal am Leben erhalten. "Der Etat für die nächste Saison steht und ist gedeckt", sagt Gauggel, allerdings sei das Budget bei den Aufwendungen für die erste Mannschaft mit "radikalen Kürzungen" verbunden. Einsparungen von rund 30 Prozent gegenüber der Vorsaison stehen im Raum, was bei Trainer Milan Sasic und Sportwart Peter Simon nicht gerade für Verzückung gesorgt haben soll, wie der Klubchef einräumt. Gleichwohl bemühe man sich um weitere Verstärkungen, allerdings sei klar, "dass der vorgegebene Rahmen auf Biegen und Brechen eingehalten werden muss." Da trifft es sich gut, dass die Löhr-Gruppe (Gauggel: "Ein der TuS wohlgesonnener und seriöser Partner") sich bereits als neuer Trikotsponsor angeboten hat - mit der Option zurückzustehen, sollte sich ein anderes Unternehmen spendabler zeigen.

Von dem seit Jahr und Tag und auch von Gauggel formulierten Anspruch, eine Führungsrolle unter der kickenden Zunft besetzen zu wollen, ist die TuS zwölf Monate nach der leidigen Eupol-Affäre jedoch weit entfernt. Noch immer wirkt nach dem Ausverkauf an einen Polen namens Antoni Ptak ein kommissarisch ergänzter Rumpf-Vorstand; noch immer hat sich kein Schatzmeister gefunden; noch immer schwirrt ein "Wirtschaftsbeirat" nur in den Köpfen, obgleich die Führungsriege schon seit der Mitgliederversammlung im Januar 2002 den Auftrag hat, ein solches Gremium zu installieren; noch immer werde die TuS als Retortenverein wahrgenommen, der in keinem Stadtteil so recht verhaftet sei, glaubt der Vorsitzende erkannt zu haben.

"Wir müssen die TuS auf eine breitere Basis stellen - bei der Vorstandsarbeit und bei der Mitgliederzahl", sagt Bruno Gauggel beim Blick über die Dächer von Koblenz. "Und ich wünsche mir, dass uns die Zuschauer in Zukunft noch mehr unterstützen und dass zum anderen die Geschäftswelt erkennt, dass zu einem Standort Koblenz auch eine konkurrenzfähige Fußballmannschaft gehört, mit der sich die Region identifizieren kann."