| Hauenstein:''Wer hier nicht protestiert ist armselig''

19.08.2003

FUSSBALL-OBERLIGA: Binger Fans überziehen den SC Hauenstein mit Beleidigungen – SCH verliert 1:2

Von unserem Mitarbeiter

Helmut Igel

BINGEN. Das war am Samstag eine Frust-Tour des SC Hauenstein. Am 5. Spieltag der Fußball-Oberliga setzte es mit 1:2 (1:1) nicht nur die zweite Auswärtsniederlage im dritten Match, das Team aus der Südwestpfalz blieb auch weit hinter seinen bisher gezeigten Leistungen zurück, war zum Schluss völlig platt und musste sich – insbesondere Trainer Robert Jung – permanent weit unter die Gürtellinie gehende Beleidigungen von einem Dutzend betrunkener Binger Zuschauer gefallen lassen.

Nachdem Fahr bei zwei Chancen der Platzherren geklärt hatte, verpasste zunächst (14.) der glücklose Michael Hunsicker die Führung für den SCH, als er freistehend verzog. Als dann die Südwestpfälzer doch in Führung gingen, als Manuel Hornig von Batur von den Beinen geholt worden war und Thomas Schuster per Strafstoß (17.) gewohnt souverän verwandelte, schien die Partie den erhofften Verlauf zu nehmen. Doch die Beine der SCH-Spieler wurden immer schwerer und die geistige Frische war nicht in dem Maß wie sonst vorhanden.

So fiel denn auch das 1:1, als eine Absprache zwischen Wolfgang Flick und Bujar Gashi nicht fruchtete und Boris Schlösser den Ball nach Vorarbeit von Lulzim Krasnigi irgendwie an vielen Beinen vorbei ins Tor bugsierte (30.). Ein Schlag für die Moral des SCH. Dann kam noch Pech dazu, als Flick per Freistoß (49.) nur die Latte des Binger Gehäuses traf und bei einer weiteren Großchance an der Fußabwehr des Bingener Torwarts Pascal Rück (45.) scheiterte.

Ansonsten bestimmten die flinken, lauffreudigen Binger die Partie. Auffällig, dass diese besonders auf der rechten Abwehrseite ein deutliches Übergewicht hatten. „Wir haben die Räume nicht wie sonst zugemacht und nicht gut geschoben", resümierte SCH-Kapitän Flick. Es sei ein Spiel gewesen, bei dem „fast nichts geklappt" habe, aber „ich habe bei einigen auch etwas vermisst", befand Flick und meinte wohl Einsatz.

Dennoch fiel der Treffer zum 1:2 nicht aus dem Spiel heraus, sondern, und das gab es beim SC Hauenstein seit Monaten nicht mehr, nach einem Eckball. Bingens Schlösser köpfte aus kurzer Entfernung den Ball ein (63.), für den Keeper Ronny Fahr eigentlich zuständig war. Und so sehr sich die Südwestpfälzer auch mühten, die Binger waren meist einen Schritt schneller, auch aggressiver und behielten die Oberhand.

Die Kommentare einiger SCH-Spieler: Jens Reisdorf: „Es ging alles so schwer". Thomas Schuster: „Nichts klappte. Wir kamen überhaupt nicht ins Spiel. Ich musste zur Halbzeit wegen einer Oberschenkelverletzung raus". Jochen Ellermann (spielte mit angebrochenem Finger): „Die Beine waren schwer. Teils haben wir die Bälle nicht gepackt. Die Verletzung hat mich heute doch behindert, selbst bei Kopfbällen". Spieleiter Hein Ziegler: „Bingen war aggressiver und hat überraschend das Spiel bestimmt. Nach dem 1:1 kamen wir nicht mehr ins Spiel".

Jung droht mit Rücktritt

Es waren wohl ein Dutzend alkoholisierter, deutlich dem Binger Lager zuzuordnender Männer gewesen, die sich hinter der Reservebank des SCH versammelt hatten und fast pausenlos die Südwestpfälzer mit sehr wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen überzogen. Wären diese außerhalb eines Spiels getätigt und angezeigt worden, eine Verurteilung vor Gericht wäre wohl unumgänglich. Besonders Trainer Jung, dessen Ehefrau nur unweit entfernt auf der Tribüne Platz genommen hatte, wurde von der Gruppe namentlich grob beleidigt. „So etwas habe ich in 30 Jahren noch nicht erlebt", erregte sich Jung, der der Pressekonferenz aus Protest fernblieb. „Wer hier nicht protestiert ist armselig", so Jung weiter. Ein weitergehender Protest könne nur ein Rücktritt sein. Er sei bei seiner Arbeit an der Seitenlinie nicht zum Nachdenken gekommen, monierte Jung.

Einen bitteren Beigeschmack erhält die Geschichte, weil sich die Mannschaft Bingens, wie SCH-Spieler Michael Burkhard erzählte, mit einer Welle bei just jenen pöbelnden Fans bedankte. Nicht so die Vorstandschaft Bingens. Diese entschuldigte sich mehrmals beim SCH, in der Pressekonferenz und in der Umkleidekabine bei SCH-Vorsitzendem Carl-August Seibel, der ebenfalls beleidigt worden war. Schließlich führten Ordner und Fans nach Spielschluss sogar noch verbale Auseinandersetzungen, die fast in Handgreiflichkeiten mündeten.