FuPa.net | Eugen Gopko: Seine Heimat zerfällt im Krieg

23.03.2022

Der Deutsch-Ukrainer Eugen Gopko lebt in Worms und spielt für die Wormatia in der Landesliga +++ Er berichtet von Schmerzen, die er nicht erklären kann

WORMS. Die Stimme am anderen Ende der Leitung ist ruhig, aber bestimmt. Sie lässt keinen Zweifel an ihrer Überzeugung. „Ich kann nicht gehen, aber ich würde auch nicht gehen.“ Die Stimme gehört einem Bekannten von Eugen Gopko, Deutsch-Ukrainer und seit vielen Jahren in Deutschland. Die beiden sprechen über ihre gemeinsame Heimat und die Lage vor Ort. Was sie eint? Ihr Geburtsort in der Westukraine. Die Stadt Mukatschewe. Dort hat Gopko, inzwischen seit vielen Jahren in Worms, seine Kindheit verbracht. Als er 14 Jahre alt ist, verlässt er mit seiner Familie das Land. In der Nibelungenstadt hat Gopko inzwischen eine zweite Heimat gefunden.

Seine andere Heimat bleibt aber Mukatschewe. Westukraine. Nur wenige Kilometer von der ungarischen und der slowakischen Grenze entfernt. Auch Polen und Rumänien sind innerhalb weniger Stunden mit dem Auto erreichbar. Sein Bekannter meldet sich von dort und berichtet vom Alltag in der ukrainischen Stadt. Von vielen Flüchtlingen aus dem Osten des Landes, die sich im westlichsten Teil der Ukraine in Sicherheit bringen wollen. Von einer angespannten, aber noch ruhigen Lage. Mukatschewe steht nicht unter Beschuss. Die russischen Truppen sind weit entfernt. Die großen Gefechte finden im Osten des Landes und in der Hauptstadt Kiew statt.

Konflikt der Sowjetstaaten kaum mitbekommen

Als Eugen Gopko in der 90er Jahren in Mukatschewe aufwächst, bekommt er den Konflikt zwischen den ehemaligen Sowjetstaaten nicht mit. „Als Junge hatte ich überhaupt keine Sorgen“, berichtet er. Mit seiner Familie lebt er in einer Wohnung in einer Blocksiedlung. Der heute 31-Jährige erinnert sich an den Unterricht in der Schule, an die Zeit mit seinen Freunden und die vielen Stunden auf dem Fußballplatz. „Die Menschen, mit denen ich dort aufgewachsen bin, sind für mich Freunde fürs Leben geworden“, erklärt er. Jetzt leben die Freunde in einem Land, in dem der Krieg ausgebrochen ist.

Zwei Bundesligaspiele unter Tuchel

Nach der neunten Klasse verlässt Gopko die Region. Sein Fußballtalent hilft ihm dabei, in Rheinhessen Anschluss zu finden. Über die Jugend von Osthofen und Neuhausen landet er bei den 05ern in Mainz. Dort kämpft er sich an die Profimannschaft heran und absolviert unter Thomas Tuchel sogar zwei Bundesligaspiele. Anschließend spielt er in Worms für die Wormatia und die TSG Pfeddersheim. Seit dem vergangenen Sommer ist er für die Zweitvertretung der Wormatia in der Landesliga am Ball.

Der Oma gehe es soweit gut

Nach dem Ausbruch des Krieges ruft Eugen Gopko seine Oma an. Als die Familie nach Deutschland gegangen ist, hatte sie sich dazu entschieden, in der Ukraine zu bleiben. Sie lebt auf dem Land, in der Nähe von Odessa. Früher war der 31-Jährige in seinen Sommerferien jedes Jahr bei ihr zu Besuch. Es gehe ihr so weit gut, berichtet sie ihrem Enkel. Die Gefechte seien viele Kilometer entfernt und sie in Sicherheit. Gopkos Familie ist dennoch besorgt. Zum Abschluss des Gesprächs sagt sie: „Ich bin im Krieg geboren und ich sterbe im Krieg.“

In Deutschland versucht sich Gopko mit Fußball abzulenken. Seinem Trainer gibt er für einen Einsatz wenige Tage nach dem Einmarsch der russischen Truppen grünes Licht. Doch der Krieg bestimmt ab sofort seinen Alltag. Gopko schläft kaum noch – und wenn, dann schlecht. Über alle möglichen Kanäle informiert er sich über die neuesten Entwicklungen in der Ukraine. Er hört bei seinen Freunden und Bekannten nach, wie die Lage vor Ort ist. „Ich habe nie nie nie gedacht, dass Putin diesen Krieg beginnt“, war er sich vor der russischen Invasion noch sicher, dass es keinen Krieg geben werde.

Albtraum ist Realität geworden

Er irrt, wie viele andere Menschen auch. Für sie wirken die Geschehnisse in der Ukraine surreal, die Aussagen von Russlands Präsident wie von einer anderen Welt. Für Gopko ist dieser Albtraum inzwischen Realität. Durch die Nachrichten seiner Freunde und Bekannten wisse er, was in der Ukraine abgehe. Die Bilder und Geschichten seiner geliebten Heimat brechen ihm das Herz. „Das Land in dieser Notsituation zu sehen, tut so unglaublich weh. Ich kann gar nicht erklären, wie sehr es schmerzt“, versucht er Emotionen zu beschreiben, die „Nicht-Betroffene“ wohl nur erahnen können.

Das Leid im Land ist groß. Die Nachrichten der Ukrainer gehen um die Welt. Nachrichten von Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, ohne zu wissen, ob sie jemals wieder zurückkehren können. Nachrichten von Familien, die auseinandergerissen werden und von Vätern, die ihre Frauen und Kinder verabschieden, um für ihr Land in den Krieg zu ziehen. Nachrichten von vielen toten Zivilisten, die die Kriegsgebiete nicht rechtzeitig verlassen konnten. Das sei alles unfassbar schrecklich, sagt Gopko. „Aber ich bin auch so stolz auf alle Ukrainer und auf mein Land.“ Auf die heroischen Kämpfer, die ihre Heimat verteidigen. Auf die große Unterstützung der Ukrainer untereinander.

"Nichts in der Welt rechtfertigt diesen Krieg"

Gopko unterstützt seine Landsleute aus der Ferne. „Wir tun, was wir können und geben unser Bestes“, berichtet er. Mit seiner Familie sammelt der Wormser Spenden und kauft Lebensmittel, Babynahrung und medizinisches Equipment ein. Am Ende der Aktion ist ein ganzer Bus vollgepackt. Sein Onkel fährt die Fracht in den Osten. Das Ziel: Mukatschewe. Dort wo die Leute zwar keine russischen Truppen fürchten, aber in Not geraten, weil die Lieferketten zusammenbrechen und die vielen Flüchtlinge versorgt werden müssen.

„Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen über die Situationen in der Ukraine informiert werden.“ Die Menschen auf der Welt müssten sehen, was es bedeute, wenn ein Land wie Russland ein freies Land überfällt. Was für ein unglaubliches Leid das mit sich bringe. „Nichts in der Welt rechtfertigt diesen Krieg, die vielen Toten und die zerstörte Städte.”

Ein kurzfristiges Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Eugen Gopko trägt die Hoffnung in sich, dass das russische Volk Mut beweist und sich gegen den Krieg wendet. „Eine Masse an Menschen kann doch was bewegen, das hat die Geschichte immer wieder gezeigt.“ Wenn sich die ganze Welt von Putin abwende, dann könne es auch dem russischen Volk gelingen, diesen Krieg als solchen zu verstehen und sich dagegen zu wehren.

Dass sich die Ukrainer den Russen beugen, glaubt Gopko nicht. „Das Land wird bis zuletzt um seine Freiheit kämpfen. Und wenn der Krieg vorbei ist, werden die Ukrainer das ganze Land wieder aufbauen.“