Kicker Sportmagazin | Die Ueberwältigung eines Meisters

19.10.1937

Es war die Ueberwältigung eines Meisters durch eine meisterhaft spielende Mannschaft. Der Berichterstatter möchte den Borussen um alles in der Welt nicht wehetun: aber so, wie die Eintracht diesmal spielte, ist sie Borussias einziger und größter Widersacher geworden. Wenn die Frankfurter das Kunststück fertig bekämen, in Neunkirchen auch nur einen einzigen Punkt zu erobern, dann müßten sie Meister von Südwest heißen. Sie haben an diesem grauen Oktobertag einen strahlenden Fußball gespielt. Den Anhängern schienen sieben Sonnen. Man soll im Fußball mit Superlativen sehr vorsichtig sein. Jedes Spiel ist neu, das ist einer der Fundamentalsätze aller Fußballweisheit. Aber die Form, die Eintracht jetzt hat — und die wirklich nicht über Nacht gekommen ist — diese bestechende körperliche „fitneß", die völlig geglückte Verjüngung des Sturms und der Kampfgeist, der heute weit ausgeprägter als je in der Mannschaft lebt, alle diese Dinge haben die Adlerträger vom Riederwald zum ernstesten Meisterschaftsanwärter gemacht.

10.000 waren gekommen. Zu Fuß, mit dem Rad, auf den Achsen der Wagen. Es war, als habe man in Worms etwas geahnt. Es war kein Sonderzug zustandgekommen. Die fröhliche Landschaft des letzten Wormser Besuches lag in blendendem Weiß und durch den Schnee steuerte ein Kellner, alle Hände voll von Biergläsern. Die Fröhlichkeit der Wormser Schlachtenbummler strahlte jene Zuversicht aus, die dann im Ergebnis einer neuen Meisterschaft gerechtfertigt wurde. Die Szenerie hatte sich verwandelt. Unter dem grauen Himmel des dritten Oktobersonntags fand Wormatia ihre kämpferische Form in keiner Sekunde. Sie spielte eine Halbzeit lang vielleicht so gut, wie noch nie in Frankfurt, was das reine Spielen mit dem Ball betrifft. Sie wirkte aber nie so ungefährlich.

Die Eintracht aber war zauberhaft verwandelt. Während man es den Wormsern kaum glauben konnte, daß vier ihrer Leute geholfen hatten, das 3:0 in der Kampfbahn des Westens zu erringen, riß das Beispiel der großen Läuferreihe und der Adam Schmitt, Wirsching alle übrigen Spieler zu einer bestechenden Leistung hin. Man hat die Eintracht seit Jahren nicht in einer so bezwingenden Form gesehen. Das ist ein Satz, der viel heißen will, aber ich glaube, daß zehntausend Zuschauer bereit sind, ihn zu unterschreiben. Es gab vor dem Kampf einiges Gerede um Ersatzspieler. Nichts wurde wahr. Wormatia brachte Busam mit, die Eintracht hatte Stubb dabei. Die Mannschaften standen so gut, wie sie jetzt nur stehen können.

Das Ergebnis wirkt verwirrend. Es geht aber in Ordnung. Es hätte zwar 4:1 heißen können, aber auch 6:1, und man tut den Wormsern gar keinen Abbruch, wenn man dies feststellt. Ihre Mannschaft kam diesmal einfach nicht auf gegen den Eintrachtelan. Sie war gewarnt vor Wirsching. Aber Wirsching spielte sich dann frei, wann er wollte. Adam Schmitt tat mit dem Ball, was ihm beliebte. Heyl schaukelte den Ball mitunter so verblüffend über gegnerische Köpfe hinweg, daß die artistischen Anlagen dieses Spielers außer Zweifel stehen. Die Langsamkeit seiner ersten Hälfte machte er später wett. Aber ich sehe, daß ich mich in einer Spielerkritik verliere, die garnicht am Platze ist.