Mannheimer Morgen | Bei Bergemann klingelt schon das Handy

19.10.2004

DAS AKTUELLE INTERVIEW: Wormatia-Vorsitzender auf Trainersuche / Vertrauen in Ertl
 

Am Ende ging es ganz schnell. Lange stellte sich der Vorstand des Fußball-Oberligisten VfR Wormatia Worms hinter seinen Trainer Max Reichenberger. Als aber die Verantwortlichen der Auffassung waren, die Gräben zwischen Trainer und Team seien unüberbrückbar, fiel die Entscheidung gegen den Übungsleiter. Im Interview mit dem "Südhessen Morgen" nimmt VfR-Vorsitzender Fritz Bergemann-Gorski Stellung.

Wer macht eigentlich die Politik im Verein: Der dafür legitimierte Vorstand oder die Mannschaft?

FRITZ BERGEMANN-GORSKI: Der Vorstand. Ganz klar.

Aber die Mannschaft ist doch die Ursache für die Trainerentlassung.

BERGEMANN-GORSKI: Ist sie das nicht immer? Allein schon durch die sportlichen Leistungen hat sie an solchen Vorgängen großen Anteil. Es ist ja nicht so, dass die Mannschaft den Kopf des Trainers gefordert hat.

Sondern?

BERGEMANN-GORSKI: Es gibt zwei Gründe für die Trennung. Zum einen die sportliche Entwicklung. Wir haben zwar nicht damit gerechnet, dass wir um den Titel mitspielen, aber genauso wenig haben wir einen Abstiegskampf erwartet. Was uns vor allem erschreckt hat, war, wie Fußball gespielt wurde. Außerdem haben wir viele Spieler gesehen, bei denen man den Eindruck gewonnen hat, dass nicht alles gegeben wird. Der Grund dafür war, dass die Chemie zwischen Trainer und Mannschaft nicht stimmte.

Also hat sich die Mannschaft gegen den Trainer ausgesprochen.

BERGEMANN-GORSKI: Wir haben viele Einzelgespräche geführt und kamen zu dem Ergebnis, dass ein Weitermachen nicht möglich war. Aber ich muss noch einmal betonen: Wir glauben nicht, dass Reichenberger ein schlechter Trainer ist.

Der Impuls zur Trennung ging aber von der Mannschaft aus?

BERGEMANN-GORSKI: Ja. Man muss differenzieren. Es gibt zwei Verhältnisse; das zwischen Trainer und Vorstand und das war in Ordnung. Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer war einfach zerrüttet. Wir hatten uns 14 Tage zuvor schon einmal mit der Stimmung in der Mannschaft beschäftigt und hatten gehofft, dass es besser wird.

Sie sind der Mannschaft weit entgegengekommen. Was erwarten Sie nun?

BERGEMANN-GORSKI: Es ist klar, dass wir jetzt etwas verlangen. Die Mannschaft hat sich nur einen Gefallen getan, wenn sie besser spielt.

Was sagen Sie denn zu Reichenbergers Aussage, dass gerade den Führungsspielern die Fähigkeit zur Selbstkritik abgehen würde?

BERGEMANN-GORSKI: Ich werde keine Einzelkritik in der Öffentlichkeit betreiben. Für mich ist die Mannschaft charakterlich einwandfrei.

Befürchten Sie einen Imageschaden?

BERGEMANN-GORSKI: Überhaupt nicht. Das wäre höchstens der Fall, wenn bei der Trennung schmutzige Wäsche gewaschen würde, aber es gibt von beiden Seiten keine Animositäten.

Mit Stefan Ertl ist ein Trainer-Neuling Interimscoach geworden. Ein Wagnis?

BERGEMANN-GORSKI: Wir haben, wie das in solchen Situationen üblich ist, nach einer vereinsinternen Lösung gesucht. Ertl ist ein Ex-Profi und wir trauen ihm zu, dass er die Situation meistern kann. Ertl und Co-Trainer Hess bilden ein gutes Team. Wir schauen uns das ganze an und werden nichts übereilen. Dennoch werden wir uns auch nach einem möglichen neuen Trainer umschauen.

Gibt es schon Bewerbungen?

BERGEMANN-GORSKI: Ich hatte schon zwei Anrufe auf meinem Handy. Ich wusste gar nicht, dass die meine Nummer hatten.

Welche Lehren zieht der Verein aus diesen Vorfällen.

BERGEMANN-GORSKI: Gar Keine. Ich kann da einfach keine Lehren daraus ziehen.

Zum Beispiel könnte man ja in Zukunft nur noch Ein-Jahres-Verträge abschließen, um sich nicht den Handlungsspielraum einzuengen.

BERGEMANN-GORSKI: Das hängt von Fall zu Fall ab und vom Trainer. Einem jungen Trainer würden wir sicher keinen Zwei-Jahres-Vertrag geben. elv