Nibelungen Kurier | Last-Minute-Schock für Wormatia

22.05.2022

Von Jürgen Jaap | „Unglaublich, aber wahr!“ Diese drei Worte von Kristjan Glibo beschreiben das, was vom Topspiel der Meisterrunde der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar am drittletzten Spieltag der Saison 2021/2022 wohl noch lange über die Spielzeit hinaus Gesprächsthema bleibt.

„Du denkst nur: Das darf doch nicht wahr sein!“, fügt der Cheftrainer des VfR Wormatia Worms nach der 1:2-Niederlage seiner Mannschaft beim Meisterschaftsrivalen SV Eintracht Trier an. Bis in die vierte Minute der Nachspielzeit sah der Klassenprimus aus Worms bei einer 1:0-Führung wie der neue Oberliga-Meister aus.

60 Sekunden liegen zwischen grenzenlosem Glück und Fassungslosigkeit. Gut, Kristjan Glibo und seine Wormaten sind nicht allein in der Fußballwelt mit dieser schier unfassbaren Situation. 1999 erlebte der FC Bayern München im Finale der Champions League gegen Manchester United gleiches: Innerhalb einer Minute platzten bei den Bajowaren damals in der Nachspielzeit sämtliche Träume – aus einem 1:0 wurde ein 1:2.

Hexenkessel Moselstadion explodiert binnen 60 Sekunden

Dass es dem deutschen Fußball-Rekordmeister vor über 23 Jahren ähnlich erging, dürfte Kristjan Glibo egal sein. „Das ist so bitter“, schmerzen den 40-jährigen Wormatia-Coach jene 60 Sekunden zwischen der vierten und fünften Minute der Nachspielzeit fast körperlich.

Eine Halbzeit lang agierte die junge Wormatia-Elf mit einer frühen 1:0-Führung im Rücken im Trierer Moselstadion im Stile eines abgeklärten Tabellenführers. Eine Hälfte lang ließ die starke Wormser Defensive meist wirkungslos anlaufende Trierer kommen.

Und dann diese eine Minute, die das mit fast 4500 Zuschauern, darunter etwa 500 Wormser Fans, prall gefüllte Moselstadion wie einen zu sehr erhitzten Schnellkochtopf explodieren ließ.

Die 60 Schock-Sekunden für Wormatia im Zeitraffer

Sechs Minuten Nachspielzeit sind angezeigt. „Viel zu viel“, meint Kristjan Glibo. Trier wirft alles nach vorne. „Die gingen All-In!“, so Glibo. Die eingewechselten Dylan Esmel und Maurice Wrusch schießen eine Breitseite ab. Dann hält Kevin Heinz den Fuß in eine Wrusch-Flanke – der Ausgleich. „Das kann passieren“, so Glibo.

Anstoß Wormatia, Ballverlust Wormatia, Pass zu Jan Brandscheid, der von der Wormser Abwehr aus den Augen verloren freistehend zum 2:1 einnetzt. „Das darf niemals passieren“, sagt Glibo.

Einfluss nehmen konnte Glibo und seine Trainerbank keinen mehr in dieser Phase der Partie. „Das Höllenspektakel im Stadion ließ das nicht zu, die Spieler auf dem Platz hätten das regeln müssen“, so Glibo weiter. Doch die standen, ganz im Gegensatz zur starken Vorstellung zuvor, unter Schock – unter einem 60-Sekunden-Schock.

Wormatia mit verdienter 1:0-Führung zur Pause

Was allerdings trotz dieser bitteren Schlussphase für Wormatia positiv zu vermerken bleibt, ist der Umstand, dass der nun mit Eintracht Trier punktgleiche Tabellenführer es ob des besseren Torverhältnisses mit zwei Siegen in der Hand behält, die Meisterschaft einzutüten. Genau das schien die Wormser Elf, in der die beiden zuletzt angeschlagenen lauf- und kampfstarken Lennart Grimmer und Noel Eichinger in der Startformation aufliefen, trotz der beeindruckenden Kulisse vorzeitig umsetzen zu wollen. Von Beginn an sahen die knapp 4.500 Zuschauer ordentlich Tempo in der Partie und nach einer Eichinger-Ecke die frühe Führung für Worms: Innenverteidiger Tevin Ihrig war am kurzen Pfosten per Kopf mit dem 1:0 zur Stelle (14.).

In der Folge hatte die Wormatia das Geschehen weitgehend im Griff. Trier mühte sich zwar, konnte sich aber gegen abgeklärte Gäste nicht entscheidend in Szene setzen. Worms verdiente sich die 1:0-Pausenführung redlich.

Wormatia lässt wenig zu – bis in die Nachspielzeit

Nach dem Wechsel überließ der Gast Trier die Initiative, aber im absolut ungefährlichen Raum. Die von Jean-Yves M’Voto und Tevin Ihrig glänzend organisierte VfR-Abwehr stand sicher.

Es dauerte bis zur 78. Minute, ehe Trier den ersten richtig gefährlichen Abschluss verbuchte – bei einem Schuss von Sven König war Wormatia-Keeper Ricco Cymer aber auf dem Posten. Gleiches galt bei einem Schuss von Brandscheid aus spitzem Winkel (86.). Was Kristjan Glibo gar nicht gefiel, war die Tatsache, dass die eigenen Konter im letzten Drittel der Partie wirkungslos verpufften.

„Das hätte viel besser sein können, nein müssen.“ So ging’s in die Nachspielzeit, in der Trier einen denkwürdigen Abend erlebte und Wormatia in eine 60-Sekunden-Schockstarre verfiel.