Kicker Sportmagazin | Boysen: Die Psyche ist gefragt

29.10.2013

Spätestens seit vergangenem Samstag dürfte Hans-Jürgen Boysen klar geworden sein, welche Herkulesaufgabe der 56-Jährige als Trainer von Wormatia Worms übernommen hat: Die Schlagartigkeit, mit der seine Truppe nach dem Rückstand gegen den SV Waldhof Mannheim ihre - im Saisonvergleich durchaus ansehnliche - Linie verlor und mit 0:3 unterging, hatte etwas Schockierendes.

"Danach kam ganz klar wieder die Verunsicherung", verdeutlichte Boysen die Bedeutung der 55. Spielminute, als Vllaznim Dautaj eine feine Vorlage von Enis Saiti zum 0:1 nutzte. Letzterer hatte sich zuvor mit jenem "Biss und Willen", den Gästecoach Kenan Kocak (32) für siegentscheidend hielt, an der Außenlinie gegen den allzu wehleidig liegen bleibenden Eugen Gopko durchgesetzt.

"Wenn der Schiedsrichter hier seine kleinliche Linie durchzieht, muss er Foul pfeifen", ärgerte sich Boysen, denn "da kippte das Spiel." Danach sei es "einfach für Waldhof" gewesen, gab es doch zwei weitere Geschenke. So etwa Benjamin Himmels Vorlage für Ajdin Zeric, der mit einem Zaubertor aus der eigenen Hälfte den am Sechzehner postierten Ersatzkeeper Lucas Menz überwand.

Die tief stehenden, resolut abräumenden und in der ersten Hälfte farblosen Mannheimer mussten jedenfalls nur auf Wormser Fehler warten, um sich selbst aus der Krise zu schießen. Sollte das die Strategie gewesen sein, was Kocak vehement bestritt ("Wir richten uns nie nach dem Gegner"), dann war es eine sehr kluge.

Kritikpunkt Chancenverwertung

Wormatia musste naturgemäß aktiver sein und schaffte laut Boysen auch eine "ordentliche Spielkultur". Man müsse jedoch "lernen, Chancen zu nutzen" - was vor allem dem neu auf der Zehn und dort zunächst verbessert agierenden Srdjan Baljak galt. "Es sich einfach machen und sagen, bei einer Pleite hast du keine Argumente", das wollte Boysen nicht.

Der Trainer widersprach Kollege Kocak, der von einer ausgeglichenen ersten Halbzeit sprach, deutlich: "Wir waren klar überlegen, haben Ball und Gegner laufen lassen." Das zu betonen, war sicher auch eine Strategie. Denn, so Boysen: "Wir müssen das Team jetzt vor allem psychisch aufbauen."

Christian Schreider