Kölner Stadtanzeiger | Stanislawski entdeckt den Rückwärtsgang

31.10.2012

Nach dem mühsamen Weiterkommen im DFB-Pokal hat Holger Stanislawski die Vorzüge einer defensiven Spielweise schätzen gelernt. Der Gegner müsse auch mal was tun, als nur auf die Fehler seiner Mannschaft zu warten, so der FC-Trainer. Von Michael Krämer

Köln. 

Holger Stanislawski hat genug. Die dürftige Leistung seiner Spieler beim erst im Elfmeterschießen erreichten 4:3(0:0)-Sieg in Worms hat ein Umdenken beim Kölner Trainer ausgelöst. Der bisher proklamierte Grundsatz „Wir können nur offensiv spielen“ zählt nicht mehr.

Nach dem mühsamen Weiterkommen im DFB-Pokal und den frappierenden Qualitätsunterschieden zwischen Heim- und Auswärtsspielen hat Stanislawski ein Faible für die Defensive entdeckt, Plan A erhält einen Plan B. Der kampfstarke Regionalligist Worms dient dem 43-Jährigen dabei als – na ja – unrühmliches Vorbild. „Mittlerweile überlegen auch wir, auswärts mal so Fußball zu spielen. Uns mit zehn Mann hinten reinzustellen, so dass der Gegner auch mal etwas tun muss, außer auf unsere Fehler zu warten. Jedes Mal auf zehn Leute zu spielen, die nur verteidigen, ist brutal schwer und birgt ein großes Risiko.“

Seine Mannschaft, die am Mittwoch mit Co-Trainer Klaus-Peter Nemet entspannt durch den Grüngürtel radelte, hatte in Worms aber nicht bloß offensiv enttäuscht. Vor allem in der zweiten Spielhälfte hatte die Kölner Defensive ihre Bezeichnung nur noch bedingt verdient. Worms spielte überlegen, in der Verlängerung war zeitweise ein negativer Klassenunterschied zu erkennen.

Gleich mehrfach konnten die Wormatia-Angreifer unbehelligt in Richtung des Kölner Torhüters Timo Horn rennen. Stanislawski verfolgte die Abkehr seiner Spieler von den elementaren Abwehraufgaben erschrocken – und nahezu handlungsunfähig. „Auf einmal haben wir nur noch gejagt. Dann waren wir ganz offen, und du sitzt draußen und kannst es nur noch laufen lassen, die Wechsel waren gemacht“, sagte Stanislawski.

Auch Horn verfolgte die Bemühungen seiner Vorderleute skeptisch: „Das war ein deutlicher Rückschritt im Vergleich zum Spiel gegen Kaiserslautern.“

Trotz zuletzt fünf Gegentoren in zwei Ligaspielen und dem erneut wackligen Eindruck im Pokal überdenkt Stanislawski die Besetzung der Vierkette nicht. Der zweikampf- und kopfballstarke Mittelfeldspieler Tobias Strobl, der in der vergangenen Woche erklärt hatte, er könne auch in der Innenverteidigung spielen, ist keine Alternative, wie Stanislawski recht deutlich ausdrückt. „Tobias sollte sich eher auf seine Position und Aufgabe konzentrieren, bevor er weltfremd Positionen nennt.“ Doch damit nicht genug: „Ich hätte früher auch gern im Sturm gespielt, das aber nie öffentlich gefordert. Von daher: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Das Innenverteidigerspiel ist sehr komplex, da kann man sich nicht einfach hinstellen und sagen: Ich hab früher in der Jugend auch mal einen ganz guten Innenverteidiger gespielt.“

Somit bleibt der Kanadier Kevin McKenna die erste Alternative, falls der angeschlagene Dominic Maroh in Aalen ausfallen sollte. Nach dem Spiel am Sonntag (13.30 Uhr) werden die Kölner Verantwortlichen gespannt die Auslosung des Pokal-Achtelfinales verfolgen. Stanislawski träumt von einem finanziell und sportlich lukrativen Derby im Rhein-Energie-Stadion.

Dass der FC die Runde der letzten 16 Mannschaften überhaupt erreicht hat, ist auch ein Verdienst Miso Breckos. Die Nominierung des Slowenen – bislang nicht gerade für seine Torgefahr berühmt – für den finalen Showdown aus elf Metern war für Stanislawski selbstverständlich: „Er ist der Kapitän, und damit schießt er, selbst wenn er nur einen Fuß gehabt hätte.

Die mit dem Weiterkommen verbundenen Einnahmen von knapp 500 000 Euro kann der FC nicht munter verplanen. Nachdem die Kölner Fans den Wormser Nachthimmel in der Pause mit einem Pyrotechnik-Feuerwerk erleuchteten, droht eine empfindliche Geldstrafe durch das DFB-Sportgericht. Die von Erleichterung geprägte gute Laune am Geißbockheim wurde durch das Fehlverhalten der Fans nicht nachhaltig beeinträchtigt.

Stanislawski war nach der lockeren Regenerationseinheit sogar zu Scherzen aufgelegt – und hegte plötzlich zarte Aufstiegsträume: „Ich bin dafür, dass der unterklassige Verein im Pokal immer Heimrecht hat. Dann haben wir in der nächsten Saison nur Auswärtsspiele.“