Kicker Sportmagazin | In Nord-West setzt die Eintracht ihren Siegeszug fort

09.02.1932

Nimm's nicht übel, lieber Leser. Man ist an diesem närrischen Faschings-Sonntag mehr auf Spott. als auf Sport eingestellt. Und gerade just in diesem Augenblick, in dem die Lautsprecherübertragung aus der Mainzer Stadthalle die folgende köstliche Probe goldenen Meenzer Humors hinausschmettert:

„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!
Un wenn mei Fraa ihr'n Mund, ihr'n lose,
Bloß aan oder zwaa Dag halte wollt,
Hätte wir Deutsche noch mehr Gold
Als wie die Franzose!"

Da fällt es dem Chronisten schwer, ernst zu bleiben, zumal es diesmal wieder ärgerlich ist, über die heutige Stadion-Veranstaltung berichten zu müssen. Angesichts der Raumverhältnisse da draußen und in wehmütiger Erinnerung an die längst vergangene Zugkraft 'der süddeutschen Meisterschaftsspiele in früheren Jahren muß man allmählich von einer gähnenden Leere sprechen Leider ist diese Leere immer noch keine Lehre für die hiesige Stadtverwaltung geworden, denn sie zwingt nach wie vor die Vereine zur Benutzung des Stadionfeldes. Das wäre ganz.nett, wenn heutzutage selbst die leidenschaftlichsten Fußballinteressenten sich durch Fahrtkosten von fünfzig Pfennig nicht abschrecken ließen. In dem Stadtteil, in dem die Eintracht und der Fußballsportverein ihre Vereinsplätze haben, ist auch der weitaus größte Teil ihres Anhanges wohnhaft. Ein Spielbesuch wäre ohne Fahrtspesen zu ermöglichen. Im Stadion kosten die Spiele vorweg eine halbe Mark Spesen. Das ist heutzutage für Tausende von Fußballanhängern ein so erheblicher Betrag, daß an der Unmöglichkeit, ihn allsonntäglich aufzubringen, der Gang zum Sportplatz scheitert. Unsummen an Eintrittsgeldern gehen hierdurch den Vereinen verloren. Aber die Stadtverwaltung stößt sich nicht daran. Theoretisch erklärt sie permanent, den Sport unterstützen und fördern zu wollen. Aber man darf sich durch die Worte nicht irritieren lassen, die Taten stehen hierzu in krassestem Widerspruch.

Etwa 4000 Zuschauer sahen zwischen Eintracht Frankfurt und Wormatia Worms ein recht bescheidenes Treffen. Das war alles andere eher, nur keine Meisterbegegnung. Die zwei Ersatzleute auf Seiten der Gäste und die drei „Austauschspieler" bei Eintracht machten das mäßige Niveau der Veranstaltung nicht aus. Auch der wiederum sehr glatte Boden entschuldigt nur einiges, bei weitem nicht alles. Es war kein Schneid in der ganzen Sache, zum mindesten nicht in der ersten Halbzeit. Man sah fast gelangweilt auf den Rasen hinunter. Man wurde nicht recht warm.

Wormatia hatte bis zur Pause ein kleines Uebergewicht, weil sie schnelleren Start und größere Beweglichkeit zeigte. Auch das Kopf- und Stellungsspiel übertraf in den ersten fünfundvierzig Minuten das der Eintracht. Lasch und gleichgültig, fast interesselos kämpften die Riederwäldler.

Erst nach dem Seitenwechsel ging Eintracht mehr aus sich heraus, und zeigte zeitweilig ihre bekannten, planvollen Kombinationszüge. Von diesem Augenblick an beherrschte sie natürlich auch vollkommen die Situation, und wenn man in den Halbzeitstand von 1:0 für Frankfurt mit Recht nicht ganz einwilligen wollte, so hatte das Endergebnis von 4:2 Toren und 9:3 Ecken unstreitig seine Richtigkeit. Aber man wurde doch auf einige Mängel aufmerksam, die einer so gut eingespielten Elf vom Schlage der Eintracht nicht mehr anhaften sollten. Eine Mannschaft von so gutem und wohlerworbenen Ansehen müßte auch jederzeit geistig auf voller Höhe sein. Das war diesmal nicht der Fall. Mehrfache, leicht vermeidliche Abseits, von denen der Schiedsrichter nicht einmal alle pfiff, nicht weniger als drei Schüsse, die an den Beinen des im Wege stehenden Parteikameraden abprallten, und zwei Fälle, in denen ein Eintrachtler seinem zum Schusse ausholenden Mitspieler den Ball vom Fuß nahm, beweisen dies. In allen diesen Fällen handelte es sich um Denkfehler. Derlei Mängel müssen noch ausgemerzt werden. Erst dann wird man sagen können, daß im Eintrachtsturm Umsicht und Ueberblick in genügendem Maße herrschen.

Auch Wormatia überzeugte durchaus nicht restlos. In erster Linie konzentrierte sich die Läuferreihe zu viel auf ihre Abwehraufgabe. Sie gab dem Sturm zu wenig Druck nach vorne. Weiterhin störte in dieser Angriffsreihe zu sehr die hohe Kombination. Nur Winkler, der Halbrechte, hielt seinen Ball beharrlich am Boden. Aber auch er machte gemeinsam mit seinen vier Helfern den Fehler, zu sehr nach der Breite zu kombinieren. Unter diesen Verhältnissen konnte also auch von Wormatias Seite kein Tempo in das Spiel kommen. Balltechnisch war jeder einzelne der Gäste vielleicht nicht ganz so gut wie die Frankfurter, aber trotzdem einwandfiei ligareif. Aber Ballbehandlung allein befriedigt den Besucher eines Meisterschaftstreffens nicht. Er will Leben und Bewegung, steten Fluß und forsche Aktionen sehen.

Aber es gab auch einiges Lobenswerte bei den Gästen. Winkler und Müller sind immer noch gute Verbindungsstürmer, wenn auch zurzeit nicht in ihrer besten Form. Ihr Wollen verrät meistens kluge Spielauffassung, die Umwertung n die Tat glückt allerdings nicht immer. Allgemein wurde im Wormser Stunn viel zu wenig und zu schlecht geschossen. Dir meisten Versuche gingen hoch über die Torlatte. Bester Mannschaftsteil war das Schlußtrio, und das schlagsichere Bollwerk Völker-Closet, erwies sich unbedingt als eine gute Verteidigung.

Schiedsrichter Glaser aus Neckarsulm amtierte ehrlich und regelkundig, wenn auch etwas 'engherzig. Zwei solch fairen Mannschaften hätte er bei aller Härte in der beiderseitigen Spielweise etwas mehr Bewegungsfreiheit lassen sollen. Zu Elfmeter-Entscheidungen scheint sich Herr Glaser nur schwer zu entschließen. Trotzdem war der Gesamteindruck seiner Spielleitung gut.       Ludwig Isenburger.