Fußball | Rasse und Klasse bei Eintracht - Wormatia 1:1

09.03.1937

Zwei prächtige Mannschaften von wirklicher Klasse, Wormatia und Eintracht, lieferten sich in Frankfurt einen fairen, jedoch bis zum letzten Einsatz gehenden Großkampf, der als Höhepunkt dieser Saison angesprochen werden muß. Das war wieder einmal Fußball, wie wir ihn zu sehen wünschen, wie er die Zuschauermassen packt

und Begeisterung weckt. Häufiger solche Spiele und der Fußballsport wird wieder die Rolle am Main spielen, die ihm vor einem Jahrzehnt beschieden war.

Noch nie sah man solche Zuschauermassen am Bornheimer Hang, auf dessen Laufbahn besondere Sitzplätze errichtet waren. Schon Mitte der Woche waren nämlich alle Plätze ausverkauft, so daß man sich an vielen Orten gewundert hat, daß der Kampf nicht im Sportfeld ausgetragen wurde. Aber scheinbar wollte sich die Eintracht den Vorteil des eigenen Platzes (sie ist wenigstens dort zu Hause!) nicht entgehen lassen. Die parkenden Autos zogen sich kilometerweit an den Anfahrtstraßen entlang, weit über den eigentlichen Eintrachtplatz, auf dem die neue Tribüne unter Walter Dietrichs sachkundiger Bauleitung heranwächst, hinaus.

Die Zuschauer wurden nicht enttäuscht. Das Unentschieden entsprach nicht ganz den Erwartungen, aber dem Kampfverlauf und der spielerischen Gerechtigkeit. Trotzdem ist dieses Resultat für die Frankfurter ungünstig, bedeutet sogar fast schon den Verlust der Meisterschaft. Beide Mannschaften wären zweifellos würdig gewesen, die Meisterkrone zu tragen. Aber nur eine kann schließlich den heißbegehrten Titel erringen. Damit muß man sich eben abfinden. Der „Zweite" der Meisterschaft mag sich damit trösten, daß er ebenso wie der Meister spielerisch eine Sonderstellung im Gau einnimmt.

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Nach diesem Unentschieden gibt es für Worms nur noch eine Gefahr, die Meisterschaft zu verlieren: wenn nämlich Worms in Pirmasens verliert und die Eintracht in Offenbach gleichzeitig gewinnt. Bei allen anderen Kombinationen ist Worms Meister, entweder mit Punktvorsprung oder nach dem Torverhältnis.

Es ist kaum anzunehmen, daß der für Worms ungünstigste Fall eintritt. So wie die Wormatia in Frankfurt gespielt hat, kann sie in Pirmasens nicht verlieren, wohl aber könnte die Eintracht in Offenbach Federn lassen... Eine ganz winzige Hoffnung bleibt für die Eintracht durch den Spielausfall Pirmasens — Wiesbaden. Die Pirmasenser sind nämlich noch nicht ganz aus der Abstiegsgefahr heraus und werden sich vielleicht deshalb etwas mehr anstrengen.

Wenn die Wormser abergläubisch sind, dann werden sie sich unter diesen Umständen noch nicht zur Meisterschaft gratulieren lassen, für die sie als klare Favoriten gestartet sind, um die sie aber nach dem Ausfall von Fath und Busam sowie nach den Anstrengungen der Pokalspiele viel härter kämpfen mußten als es anfangs vorauszusehen war.

Da im Fußball alles möglich ist, wird die Eintracht gut daran tun, ihre letzte, wenn auch noch so kleine Chance in Offenbach zu wahren.

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Bei dem Frankfurter Großkampf konnte von einer offenbaren Feldüberlegenheit der Eintracht die Rede sein. Aber diese Überlegenheit war auch eine Folge der beiderseitigen Taktik. Man vergesse nicht, daß Worms von Anfang an den Vorteil hatte, daß ihm ein Unentschieden alle Vorteile wahrte. Dazu kam dann ein Führungstor bald nach Beginn des Spiels, so daß Worms sich ruhig etwas stärker mit der Torsicherung befassen konnte.

Dagegen mußte die Eintracht alles auf eine Karte setzen, den Angriff. Kein Wunder, daß sich mehr Ereignisse in der Wormser Spielhälfte abspielten. Sah man aber genauer hin, dann mußte auffallen, daß die Wormatiaspieler schneller und genauer ihre Bälle abspielten, im Freistellen besser waren und im Kampf um den Ball zumeist die Oberhand behielten.

Es ist anscheinend das Schicksal dieses Rückspiels gewesen, daß es auf schlechtem Boden ausgetragen werden mußte. Es schneite wirklich nicht oft diesen Winter in Frankfurt. Jedesmal vor dem Wormatiaspiel kam jedoch ein Wetter, dessen Auswirkungen an die Spieler die höchsten Anforderungen stellen. Diesen höchsten Anforderungen schien die Wormatia-EIf besser gewachsen zu sein. Manchem Eintrachtspieler ging frühzeitig die Kraft aus, den Ball hoch und weit wegzuschlagen. So blieb manches Zuspiel im Schnee stecken.

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Es ist eine nicht uninteressante Aufgabe, bei der Eintracht nach dem schwachen Punkt zu suchen, der für verschiedene Mißerfolge in dieser Saison verantwortlich ist. In den früheren Jahren war es regelmäßig der Sturm. Heute ist er es bestimmt nicht mehr...

Beginnen wir beim Torwart. Schmidt ist zwar nicht überragend, aber er macht seine Sache doch ganz gut. Im Gau ist er bestimmt nicht der schlechteste. Die Verteidigung Groß-Stubb ist gut. Im heutigen Spiele war sie sogar ganz hervorragend. Es war einer der besten Schachzüge der Eintracht in dieser Saison, aus Groß einen Verteidiger zu machen. Stubb erreichte diesmal sogar seine internationale Form.

Bei der Läuferreihe müssen wir somit an dem Punkt angelangt sein, wo es hapert. Und da stellen wir nur gleich fest, daß seit einiger Zeit zwei Internationale von Rang hier ersetzt werden müssen: Gramlich und Mantel! Letztes Jahr hieß die Läuferreihe sogar: Gramlich-Tiefel-Mantel und war in Deutschland unerreicht. Heute heißt sie Herrmann-Fürbeth-Knapp und steht auf jeden Fall der Wormser Halbreihe nach.

Dann kommt noch ein schwacher Punkt, nun doch im Sturm. Es sind nämlich der Eintracht in Röll und Hemmerich noch keine zwei Flügelstürmer herangereift, deren Können die Innenstürmer zwingt, sie öfters zu bedienen und nicht stets zu einem unfruchtbaren Innendurchspiel Zuflucht zu nehmen. Was nicht ist, kann jedoch noch werden, denn beide sind noch sehr jung.

Die wirkliche Schwäche muß jedoch m.E. noch wo anders liegen, nämlich in dem Abweichen von dem alten, bewährten Eintrachtsystem. Wenn man es nämlich genau nimmt, spielt die Eintracht heute mit drei (!) Mittelläufern. Einer davon, Fürbeth steht ganz hinten bei den Verteidigern und deckt mit mehr oder weniger Erfolg den gegnerischen Mittelstürmer ab. Der zweite, Möbs, sogenannter zurückgezogener Mittelstürmer, steht ziemlich weit vorne und baut auf. Der dritte, Herrmann, versucht die Lücke auszufüllen, indem er etwa in der Position spielt, die früher der Mittelläufer einzunehmen pflegte.

Die Folge davon ist, daß im Sturm der fünfte Mann fehlt, daß man ohne rechten Läufer spielt und bei einer ganzen Zahl von Spielern der Sinn für richtiges Platzhalten verloren gegangen ist.

Im Gegensatz dazu spielt die Wormatia mit fünf Stürmern, von denen z. B. Gölz und Eckert auch elastisch zurückzugehen vermögen, sie spielt mit einer kompletten Läuferreihe, in der Mittelläufer Kiefer sowohl in der Verteidigung aushilft wie den Angriff stützt und sie hat zwei Verteidiger, die ihre Aufgabe allein bewältigen können. Dieses System muß schon das richtige sein, denn die Wormatia hat damit die meisten Tore geschossen und die wenigsten durchgelassen!

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In diesem Spiele empfahl sich Eckert wieder einmal für internationale Aufgaben. Er erweist sich immer mehr als der geborene Nachfolger eines Conen und sollte dies nicht nur für den Gau sein. Im Grunde genommen besitzt er alle Tugenden eines Mittelstürmers: er ist jung, schnell, durchschlagskräftig, schußbegabt, kräftig und hat auch viel Sinn für Aufbau und Zusammenspiel. Seit Kohr und Conen kenne ich keinen Mittelstürmer in Deutschland, der alle diese Eigenschaften derartig vereinigt wie Eckert, Worms.

Der beste Mannschaftsteil der Wormser war aber die Läuferreihe Fries-Kiefer-Zimmermann. Besonders Kiefer dürfte heute auch einen Sold im Gau übertreffen. Der linke Läufer Fries schoß dazu das Tor der Wormser.

Im Eintrachtsturm war wohl Möbs der beste Mann, wie so oft übrigens. Schmidt hatte gute und schwache Momente. Die schwachen leider in drei entscheidenden Augenblicken vor dem Wormatia-Tor. In dem Schneematsch ist anscheinend sein Schußpulver feucht geworden... Überhaupt waren Kernschüsse, wie man sie von den beiden besten Stürmerreihen des Gaus erwarten durfte, wahrscheinlich wegen des Bodens eine Seltenheit.

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Den Spielverlauf braucht man kaum zu schildern. Die Eintracht gefiel sich zumeist in der Rolle des Angreifers und legte besonders zu Beginn mächtig los. Da kam Worms im Anschluß an eine schwache Abwehr überraschend zu seinem Tore, was auf die Eintracht lähmend wirkte. Der Innensturm der Eintracht rannte sich immer wieder fest; die Außen aber brachten keine Flanken herein. Das Aufrücken der gegnerischen Verteidiger nützten aber die Wormser geschickt zu beunruhigenden Vorstößen aus.

Nach Halbzeit kam auch der Ausgleich auf etwas ungewöhnliche Art zustande. Winkler gab bedrängt zurück, verrechnete sich dabei, und Ebert hatte das Nachsehen. Ob es ein reines Selbsttor war, oder ob der nachsetzende Monz noch nachgeholfen hat, war nicht genau zu ersehen. Auf jeden Fall kämpfte die Eintracht jetzt verzweifelt um den Sieg, spielte jedoch zu wenig in die Breite. Als sie sich ausgegeben hatte, setzten die Wormser nochmals zum Generalsturm an, um das Tor zu schießen, das die Meisterschaft bereits bedeutet hätte. Aber auch ihnen war es nicht beschieden. Dieser Tag gehörte den Verteidigungen.

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Schiedsrichter Herrmann, Ludwigshafen, war hervorragend. Er unterband alle Schärfen, die bei solchem Spiel und derartigem Boden allzu leicht aufkommen. Seine Autorität war unerschütterlich und wurde auch von den Spielern anerkannt.

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Nächsten Sonntag: der Entscheidungsgang Pirmasens — Worms und in dessen Schatten Offenbach — Eintracht. Wir haben schon davon gesprochen. Niederrad — FV. Saarbrücken kann für die Abstiegsfrage sehr bedeutsam werden; ein Unentschieden würde beiden nutzen. Wiesbaden wird sein Glück nochmals beim Fußballsportverein versuchen. Die Abstiegsfrage entscheidet sich genau wie [die] der Meisterschaft erst am letzten Tage, aber sie liegt jetzt auch schon ziemlich klar.