Südwest Presse | Wende in fünf irren Minuten

23.08.2012

 

Auch in höheren Gefilden sind die Spatzen keine Eintagsfliegen. Das 3:1 gegen Wormatia Worms beweist: Sie können in der Regionalliga mithalten.Fünf verrückte Minuten entschieden ein merkwürdiges Spiel.

Autor: RÜDIGER BERGMANN | 23.08.2012

An und für sich ist die Sportart Nummer eins einfach: Fußball versteht eben jeder. Im Normalfall. Die 1600 Zuschauer, die gestern im Ulmer Donaustadion während der ersten Hälfte einen leb-und chancenlosen SSV 46 ertragen mussten, werden kaum plausible Erklärungen dafür finden, wieso die Spatzen nach Seitenwechsel so unvermittelt ihr freundliches Gesicht aufsetzten. Zwischen der 73. und 78. Minute wandelten sie den 0:1-Rückstand gegen Wormatia Worms in einen 3:1-Heimsieg um. In diesen 300 Sekunden wirkten sie wie berauscht.

Allein am Personal kanns nicht gelegen haben. Zur Pause brachte Trainer Stephan Baierl mit Ruben Rodriguez und Max Bachl-Staudinger zwei frische Kräfte, von denen der feine spanische Techniker zum Wegbereiter des Erfolgs wurde. Und auch der Kräftverschleiß bei den Gästen drei Tage nach dem 2:1-Coup im DFB-Pokal über Hertha BSC taugt nur teilweise als Begründung. Immerhin hatten die Ulmer zeitgleich die Hitzeschlacht beim FSV Frankfurt II zu bestehen. Vielleicht wars auch der kurzangebundene Stephan Baierl, der die Spieler gestern bei Halbzeit deutlich an der Ehre packte und dann die Kabine schon wieder verließ.

Seis drum. Jedenfalls rissen sich die Spatzen plötzlich zusammen. Alles, was zuvor schwerfällig und ohne Inspiration, mit unerklärlichen Fehlpässen und ungenügender Raumaufteilung aabgelaufen war, klappte von Minute zu Minute besser - und letztlich wie am Schnürchen. Dennoch darf sich der SSV 46 bei den Wormsern bedanken, dass sie "den Sack nicht zugemacht haben" (Trainer Ronny Borchers). Vor und nach dem 0:1 durch Martin Rösers Schuss an den Innenpfosten (15.) fanden sie entweder in Rückkehrer Holger Betz zwischen den Pfosten ihren Meister, oder die Versuche von Adam Jabiri und Lucas Oppermann verfehlten denkbar knapp das Gehäuse des SSV 46.

Erst in den letzten zehn Minuten vor Seitenwechsel schafften es die Ulmer, die doch noch auf den erkrankten Simon Frank zurückgreifen konnten, ein Gegengewicht aufzubieten. Hier ließ Fabio Kaufmann per Kopf auch die einzige Chance aus (35., vorbei). Mit der Einwechslung des vier Monate verletzten Ruben Rodriguez hielt im zweiten Abschnitt die zuvor vermisste Spielkultur Einzug in den Ulmer Reihen.

Auch die Dame Fortuna hatte ihre Finger im Spiel. Zunächst hielt der Wormser Abwehrrecke Nassim Banouas in einem unspektakulären Zweikampf mit Max Bachl-Staudinger den Ball mit dem Arm im Strafraum auf. Florian Treske nutzte den Pfiff von Schiedsrichter Daniel Schlager zum 1:1 (73.). Zwei Minuten später ließ Assistent Luigi Satriano die Abseitsfahne unten, als David Braig nach schönem Zuspiel von Johannes Ludmann vor Torwart Kevin Knödler auftauchte und den Ball im langen Eck unterbrachte. Diesem 2:1 ließ Fabio Kaufmann den dritten Streich folgen, als er eine perfekte Rodriguez-Flanke zum 3:1 ins Netz wuchtete (78.).

Vor den beiden Auswärtshürden in Idar-Oberstein (Samstag) und beim SV Waldhof (4. September) haben die Spatzen sechs Zähler. Dem späten Energieschub sei Dank. Nächstes Zwischenziel für den Aufsteiger: Jetzt müsste es gelingen, endlich mal ein Spiel auf gleichbleibendem Niveau abzuliefern. Denn nicht immer enden Achterbahnfahrten mit Glücksgefühlen.