Berliner Morgenpost | Peinliche Hertha

20.08.2012

- Im Mittelkreis tanzten die Spieler von Wormatia Worms. Etwa 50 Meter weiter standen ihre Kontrahenten von Hertha BSC teilnahmslos an den Werbebanden hinter dem Tor nah der Gästekurve. Den kompletten Weg zum Fanblock sparten sich die Profis angesichts von "Ihr seid so lächerlich"-Rufen der etwa 500 mitgereisten Anhänger. Deren Wut resultierte aus der Tatsache, dass Hertha soeben bei einem Regionalligisten das ohnehin schon umfangreiche (imaginäre) Buch "Blamagen im Pokal" um ein weiteres unrühmliches Kapitel bereichert hatte. Der Zweitligist unterlag am Ende einer Hitzeschlacht 1:2 (0:1) und blieb auch im dritten Pflichtspiel der Saison ohne Erfolg.

"Die Enttäuschung ist riesengroß. Wir haben das Spiel in einer Phase verloren, als wir das zweite Tor hätten machen müssen", sagte Manager Michael Preetz. Da es nicht gelang, durfte Wormatias Trainer Ronald Borchers erfreut konstatieren: "Wir haben das Unmögliche möglich gemacht." Während Preetz in der überschaubaren Mixed Zone Durchhalteparolen verbreitete ("Durchatmen, nach Hause fahren, weitermachen"), wurden hinter ihm eifrig Bierkisten in die Kabine der Gastgeber getragen.

Es war für Hertha das böse Ende eines Pokal-Nachmittags, der so beschaulich begonnen hatte. In den Minuten vor dem Anpfiff hatte ein Duo im Wormatia-Outfit als Stadionsprecher gemeinsam durchs Programm geführt. Die Herren hatten sich einen Tisch auf der Aschenbahn aufgebaut und launige Werbetexte mit dem für ein Möbelhaus interessanten Motto "das Runde muss ins Eckige" verlesen. Auf der prallvollen Haupttribüne erinnerten sich ältere Stadionbesucher an glanzvolle Zeiten, als "hier gegen Pirmasens der Teufel los" war.

Auf dem Rasen war rasch klar, dass es für die Berliner mitnichten ein gemütlicher Gang werden würde. Schon der erste Pass in die neuformierte Defensive - mit dem erstmals in diesem Jahr einsatzbereiten Maik Franz, dem Aushilfs-Innenverteidiger Fabian Lustenberger und Felix Bastians sowie Marcel Ndjeng - löste Konfusion aus. Am Ende der Kette stand Torwart Philip Sprint, der Martin Röser foulte. Elfmeter und Gelb - womit Sprint gut bedient war. Weniger gut kam Hertha weg, da Tim Bauer den Ball in der dritten Minute zur Wormser Führung ins Netz drosch. Sehr zur Freude von Trainer Ronald Borchers, der das Spiel über direkt an der Seitenlinie stand und mit roter Kappe, weißem Polo, dunkelblauen Shorts und hellblauen Sportschuhen an jedem Badesee eine gute Figur abgegeben hätte.

Schnell in Führung gehen, um dem Außenseiter die Euphorie zu nehmen oder wenigstens kein Gegentor kriegen, diese Weisheiten gelten für Profivereine in ersten Pokalrunden stets aufs Neue. Hertha, im Vergleich zum Frankfurt-Spiel auf sechs Positionen verändert (unter anderem saß Sami Allagui überraschend auf der Bank), gelang weder das Eine noch das Andere.

Der misslungene Start machte den Berlinern die Beine nach dem ebenfalls misslungenen Saisonauftakt nicht leichter. Behäbig und ohne Inspiration schob sich der Bundesliga-Absteiger vor 6236 Zuschauern die Bälle zu. Halbwegs gefährlich wurde es nach 13 Minuten, als Änis Ben-Hatiras Schuss im Strafraum geblockt wurde. Drei Minuten später fand eine Flanke von Ben-Hatira den Weg zu Sandro Wagner, der aus vier (!) Metern an Torwart Kevin Knödler scheiterte.

In der kurzen Hitze-Trinkpause gab es bei den Gästen in Blau-Weiß reichlich Redebedarf, vor allem Franz versuchte die Kollegen wort- und gestenreich anzutreiben. Es fruchtete kaum. Vor der Pause gab es nur noch einen Aufreger, als Kachunga im Mittelfeld Nassim Banouas foulte und dieser im Fallen nachtrat, was dem Wormser die Gelbe Karte einbrachte.

Nach dem Wechsel agierte Adrian Ramos im Sturmzentrum, was Herthas Spiel durchaus gut tat. Gegen nun körperlich deutlich abbauende Wormser ergaben sich mehr und mehr Gelegenheiten, unter anderem traf Ramos binnen Sekunden erst die Latte und dann aus einem Meter Torwart Knödler. Eine Minute später fiel doch der Ausgleich, als Wagner den Ball nach einer Ecke und Verlängerung von Peter Niemeyer mit der Brust im Tor zum 1:1 unterbrachte (64.). "Danach war das Spiel offen und wir waren am Drücker", sagte Trainer Jos Luhukay.

Regionalligist Wormatia kam kaum noch aus der eigenen Hälfte und wankte der Verlängerung entgegen. Doch anstatt den entscheidenden Treffer zu landen, lief Hertha in einen Konter. Kevin Wittke flankte in den Strafraum, und der eingewechselte Romas Dressler kam vor dem schlecht verteidigenden Berliner Alfredo Morales an den Ball und traf zum entscheidenden 2:1 (82. Minute).

In der Negativspirale

"Wormatia hat drei Chancen und macht zwei Tore", war Luhukay vollständig bedient. Zu einer Wutrede wie vor einer Woche ließ er sich jedoch diesmal nicht hinreißen: "Ich bin einfach nur enttäuscht." Manager Preetz nannte den nun katastrophalen Saisonstart einigermaßen diplomatisch "alles andere als gelungen". Die Negativerlebnisse der letzten Zeit - inklusive der vergangenen Saison - müssten abgestreift werden, dies sei ein längerer Prozess, sagte Preetz. Die Geduld der Fans jedenfalls ist schon aufgebraucht: "Wir sind Herthaner und ihr nicht", gaben sie den Spielern als letzten Gruß mit auf den Weg.