Frankfurter Rundschau | Schmusen nach der Pokalpleite

20.08.2012

Hertha BSC scheidet nach indiskutabler Leistung aus dem DFB-Pokal aus. Die Hertha-Verantwortlichen schlagen nach dem peinlichen Pokalaus in Worms ungewöhnliche Töne an. Sie packen die Profis nach der 1:2 Niederlage erstaunlicherweise in Watte.

Diesmal war Jos Luhukay wütend auf die Journalisten. Hertha BSC hatte 1:2 (0:1) vor 6?200 Zuschauern beim Viertligisten Wormatia Worms verloren und war damit schon in der ersten Runde aus dem DFB-Pokal gefallen, als dem Trainer die vielen Fragen in der Pressekonferenz zu blöd wurden. „Pfff, pfff“, antwortete der Niederländer nur noch schlecht gelaunt, als jemand wissen wollte, ob nicht auch die Körpersprache seiner Spieler ihm Anlass zur Sorge gebe.

Ganz so abwegig, wie Luhukay Glauben machen wollte, war die Frage aber gar nicht gewesen. Denn auch Manager Michael Preetz war zuvor aufgefallen, dass die Köpfe nach dem frühen 0:1 ganz schnell ganz tief hingen. „Auch nach einem Gegentor darf man den Kopf oben lassen“, urteilte der Sportchef des Hauptstadtvereins, was leichter gesagt als getan ist, denn: „Es ist ein längerer Prozess, die Negativerlebnisse der vergangenen Wochen und Monate abzustreifen. Das gelingt nicht jedem.“ Offenbar ist nach Luhukays Donnerwetter aus der Vorwoche jetzt ein Schmusekurs angesagt bei der Hertha.

Träge und wenig durchdacht

Jetzt fehlt nur noch eine klare Linie, auf und außerhalb des Platzes. „Unser Saisonstart ist alles andere als gelungen“, räumte Preetz ein, aber: „Das war kein blutleerer Auftritt des Teams.“ Man müsse jetzt durchatmen, „nach Hause fahren und weitermachen. Wir konzentrieren uns jetzt auf das Spiel gegen Regensburg.“ Das schon am Freitagabend auf dem Plan steht.

Zwar hatte die Hertha den frühen Rückstand in der 63. Minute durch den ansonsten schwachen Sandro Wagner egalisiert, danach schafften es den Berlinern jedoch nicht, den Druck aufrechtzuerhalten. „Wir hatten in der Hitze wohl zu viel Kraft gelassen“, mutmaßte Preetz. Mit der zweiten Chance gelang dem aktuellen Zwölften der Regionalliga Süd in der 82. Minute das zweite Tor: Stürmer Romas Dressler reagierte schneller als der eingewechselte Berliner Alfredo Morales und drückte den Ball zum Siegtreffer über die Linie.

Ein durchdachtes Berliner Passspiel war zuvor viel zu lange nicht erkennbar gewesen, das Konterspiel war von einer Trägheit geprägt, die auch durch die Sahara-Temperaturen nicht zu entschuldigen war, die einzige Spitze Wagner verlor so gut wie jeden Zweikampf gegen den körperlich ebenbürtigen Kapitän Sandro Rösner, was nichts daran änderte, dass er immer wieder hoch angespielt wurde, der Kolumbianer Adrián Ramos lungerte am linken Flügel herum, als wollte er Trainer Luhukay auf diese Art mitteilen, dass er ihn doch, bitte schön, lieber ins benachbarte Freibad entlassen sollte.

Ihr-seid-so-lächerlich-Rufe

Der Trainer hatte nach dem bitterbösen 1:3 beim FSV Frankfurt vom vergangenen Wochenende auf sechs Positionen umgestellt, unter anderem verteidigte erstmals seit achteinhalb Monaten in einem Pflichtspiel wieder Maik Franz, und im Tor stand wie erwartet Philip Sprint. Der junge Schlussmann konnte allerdings froh sein, dass er nach zwei Minuten nicht schon wieder draußen saß. Denn den durchgebrochenen Wormser Martin Röser, einen Kumpel von Nationalspieler André Schürrle, konnte er nur durch ein Foul bremsen. Sprint, gerade mal 19 Jahre alt, sah die Gelbe Karte, eine großzügige, aber letztlich auch richtige Entscheidung des umsichtigen Schiedsrichters Norbert Grudzinski, ehe Tim Bauer per Strafstoß zum 1:0 traf.

Die Hertha gelangte erst in der zweiten Hälfte, als Ramos zentral spielte, regelmäßig gefährlich vor das Wormser Tor. Viel zu oft aber wurden Flanken aus dem Halbfeld in den Strafraum geschlagen, mitunter landeten diese auch auf der Aschenbahn. Auf der anderen Seite hatten Franz und Lustenberger nicht nur vorm 0:1 Probleme, das hohe Tempo der Wormser Offensivspieler mitzugehen. Franz machte sich allerdings wiederholt mit lautstarker Anfeuerung verdient um die Gemütslage seiner Teamkollegen. Das sah zwar engagiert aus, nutzte am Ende aber herzlich wenig.

Beim Schlusspfiff brachen in Worms dann alle Dämme, derweil die etwa 500 Hertha-Fans die Profis mit Ihr-seid-so-lächerlich-Rufen verabschiedeten. Luhukay aber verteidigte seine Mannschaft: „Eine Wutrede werden Sie von mir nicht hören. Die Spieler sind an die Grenze gegangen, haben alles gegeben. Worms hat am Ende glücklich, aber nicht unverdient gewonnen.“ Wenn das mit der Grenze tatsächlich so war, dann ist diese Grenze derzeit viel zu nah am Niveau der vierten Liga dran.