Berliner Zeitung | Wir sind die 98 Prozent

21.08.2012

Worms –  

Hertha versteht die Niederlage gegen Worms nicht. Aber auch wenn es mit dem DFB-Pokal nichts wird - es gibt sie tatsächlich, die gute Nachricht für den Berliner Zweitligisten.

Was ist eigentlich lächerlich im Fußball? Die bloße Tatsache, dass Profis gegen Amateure verlieren? Dass sie dabei einen Einwurf falsch ausführen, Pässe auf Kniehöhe spielen und Flanken hinters Tor schlagen? Vielleicht der Umstand, dass schon der erste halbwegs gelungene Pass zu einem Gegentor führt?

Oder macht man sich als Profifußballer erst dann wirklich lächerlich, wenn man hinterher hört, dass der Amateurspieler, der den entscheidenden Treffer erzielte, noch vor einem halben Jahr verletzt und arbeitslos war und auch in der Woche vor dem Spiel nur zwei Mal trainieren konnte?

Es kam vieles zusammen am vergangenen Sonntagnachmittag, als der Zweitligist Hertha BSC in der ersten DFB-Pokalrunde beim Viertligisten Wormatia Worms mit 1:2 verlor. Aber es war noch mehr, das die wenigen mitgereisten Berliner dazu veranlasste, ihre Mannschaft mit folgendem Spruch aus Worms zu verabschieden: „Ihr seid so lächerlich!“

Die Mannschaft antwortete mit Schweigen. Trainer Jos Luhukay sagte stellvertretend: „Wir müssen jetzt ein Stück zusammenrücken.“ Das ist allein schon aufgrund der schweißtreibenden Temperaturen nicht besonders angenehm zurzeit.

Es gibt eine gute Nachricht

Man muss schon ein wenig danach suchen, aber es gibt sie tatsächlich, die gute Nachricht für die Hertha. Sie schlummert zwischen den Worten Fehlstart (Liga) und Blamage (Pokal), sie lautet, und das ist für Berlin und für Berliner schon erstaunlich: Der Verein hat Realitätssinn bewiesen. Manager Michael Preetz, der Überbringer der guten Nachricht, formulierte es folgendermaßen: „Im Etat sind nur die Einnahmen der ersten Pokalrunde eingeplant gewesen.“

Die Chancen, den Saisonetatplan vorzeitig überzuerfüllen, waren nicht schlecht. Trainer Luhukay hatte schließlich nach der Liganiederlage beim FSV Frankfurt (1:3) seine allseits bewunderte Gelassenheit zugunsten einer eher unbekannten Gereiztheit geopfert. Er hatte ein Training „bis zum Umfallen“ angekündigt, er hatte die Aufstellung auf mehreren Positionen geändert, er hatte es also vor dem Pokalspiel geschafft, Zeichen zu setzten, die keinem Spieler entgangen sein konnten.

Nach dem Spiel musste Luhukay jedoch einsehen, dass seine Zeichensetzung folgenlos geblieben war. Auf dem Weg zur Pressekonferenz wünschte ihm ein Autogrammjäger: „Alles Gute und bleiben Sie gesund.“

Während der Fragerunde überraschte Luhukay dann mit einer seltsamen Spielanalyse. „Ein Klassenunterschied war da“, sagte er, „wir haben 98 Prozent in der Hälfte der Gegners gespielt.“ Seltsam waren nicht einmal die Rechenkünste des Trainers, sondern vielmehr die Notwendigkeit, einen Klassenunterschied zwischen Profis und Amateuren überhaupt betonen zu müssen – ganz so, als hätten ihn vielleicht doch nicht alle bemerkt.