Verbandspokalfinale 2017 – Rot-Weißes Fieber liegt in der Luft

Windpocken, Röteln, Masern, Gelbfieber? Kinderkram! Ein stark ansteckender Virus geht dieser Tage im südlichen Rheinhessen und den daran angrenzenden Gebieten um. In der jüngeren Vergangenheit befiel er 2009 schon einmal die Region, 2012 grassierte er im Epizentrum Nibelungenstadt regelrecht, 2017 „droht“ ein weiterer Ausbruch – oder ist bereits im Gange. Die Rede ist vom Rotweißen Fieber, im Fachjargon auch „Wormatianer Pokalbazillus“ genannt. Zu den Ursachen, der Entstehung, den Symptomen, den Therapien und der Behandlung vor, während und nach „dem Befall“ haben wir einen Fachmann der Ansteckungskrankheit befragt.

Sandro Rösner, 30, Innenverteidiger, von Juli 2008 bis Januar 2014 aktiver Fußballer und lange Zeit Kapitän des VfR, kam in seinen fast sechs Jahren bei Wormatia Worms als Südwestpokalsieger 2008, 2009 und 2012 erst regional direkt in Kontakt mit dem Virus. In den DFB-Pokalspielen 2009 gegen SC Greuther Fürth (0:1 nach Verlängerung), 2012 zunächst gegen Hertha BSC Berlin (2:1) und später in Runde zwei gegen den 1. FC Köln (1:1 nach Verlängerung, 3:4 im Elfmeter-Schießen) mutierte der rotweiße Bazillus gar zu einer „nationalen Plage“. Das in der Nibelungenstadt eingefangene DFB-Pokalfieber wurde der in Worms so erfolgreiche und allenthalben geschätzte ehemalige Spieler der Studenten-Nationalmannschaft aber auch bei seinem heutigen Verein SC Hauenstein nicht los. Im Team des Oberligisten aus der Pfalz hatte er es 2016 mit Bundesligist Bayer 04 Leverkusen (1:2-Niederlage) zu tun.

Die Diagnose

„Wenn dein Fußballherz noch schneller schlägt als sonst, wenn jeder in der Region dich auf das nächste Spiel anspricht, wenn das Interesse an deinem Sport Fußball noch ein bisschen größer ist als sonst, dann hat dich das Rotweiße Fieber fest im Griff“, wagt Fußballer Sandro Rösner, der im Hauptberuf nach seinem abgeschlossenen Lehramts-Studium inzwischen am Heinrich-Böll-Gymnasium Ludwigshafen die Fächer Erdkunde und Sport unterrichtet, eine erste grobe Eigendiagnose.

Die Entstehung

Die Entstehung des Rotweißen Fiebers konnten die VfR-Kicker, deren Betreuer, das Umfeld und vor allem die Wormatia-Fans diese Saison am eigenen Leib erfahren. Es beginnt unmerklich mit ersten Erfolgen im Verbandspokal wie denen über Verbandsligist SC Idar-Oberstein (1:0), die Oberligisten TSG Pfeddersheim (2:1), TuS Mechtersheim (2:1) und im Halbfinale TSV Schott Mainz (4:1). Eine erste große Fieberwelle gilt es am Feiertag der Väter am 25. Mai 2017 in Pirmasens zu überstehen. Wie schon Muttern in jungen Jahren ihre Kinder lehrte, erreicht das Fieber gewöhnlich um 17 Uhr seinen Höhepunkt.

Die Symptome

Die Symptome liegen allenthalben sichtbar auf der Hand. Erst sind es ein paar Dutzend, dann einige Hunderte bis hin zu ganzen Tausend, die durch Berührung mit der Wormatia-Homepage, der Wormatia-App oder auch über Mund-zu-Mund-Propaganda angesteckt werden. Gemeinsam setzt man nun „Alles auf Rot und Weiߓ, bevölkert schon frühzeitig in kleinen rotweißen Gruppen oder mit großen Wormatia-Fanbussen die pfälzische Schuhstadt. Wenn dann um 17 Uhr trotz Nachmittagswärme ein rotweißer Pokalschal den Hals schützt, die mit Majo und Ketchup in die passenden Farben gefärbte Bratwurst den Appetit zügelt, und aus hunderten in rotweißen Trikots steckenden Kehlen Fan- und Jubelgesänge erschallen, dann ist das Rotweiße Fieber auf seinem (ersten) Kulminationspunkt angelangt.

Die Therapie

„Alles immer so machen wie jedes andere Auswärtsspiel“, rät „Mister DFB-Pokal“ Sandro Rösner dem ehemaligen Mitspieler Steven Jones und dessen Schützlingen für das Pokalfinale gegen SV Morlautern. „Die Ansprache vor diesem Spiel gegen den Oberligisten ist eine Sache, die Steven prima beherrscht“, weiß Sandro „Sanny“ Rösner um eine der großen Qualitäten des heutigen Wormatia-Coaches. „Jeder weiß, um was es geht“, ist sich Sanny sicher. Und: „Jeder wird hundert Prozent geben, es lohnt sich nämlich wirklich.“

Die Behandlung und Ratschläge

Vor, während und nach dem ersten Fieberanfall gilt insbesondere für Fans wie Spieler: Nicht überhitzen, gut abkühlen und besonders viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Falls die Fieberkurve nach einem erfolgreichen Spiel in Pirmasens bei einer gemeinschaftlichen Feiersause eine erste Abkühlung erfährt, ist das Rotweiße Fieber aber längst nicht „ad acta“ gelegt. „Das könnte bei der folgenden DFB-Pokal-Auslosung durchaus in akutes Herzrasen münden“, erläutert Sandro Rösner eine der weiteren Gefahren der ansteckenden Krankheit. Falls es dann, wie etwa 2012 gegen Hertha BSC Berlin, am ersten Spieltag des DFB-Pokals 2017 zur dritten großen Epidemie gereicht, rät Mister DFB-Pokal den Spielern und dem Trainerstab folgendes:

1)   „Fieber-Thermometer bereitlegen.

2)   Alles wird anders sein. In der Woche zuvor kommen Fernsehen, Rundfunk und Presse ohne Ende.

3)   Das ist etwas ganz Besonderes für jeden Spieler, ein Highlight in der Karriere jedes Kickers.

4)   Genießt diese Momente alle gemeinsam mit den Fans.

5)   Habt keine Angst vor großen Namen.“

Aber so weit ist es natürlich noch lange nicht, denn im Pokal hat der Unterschied von nur einer Spielklasse, Oberliga zur Regionalliga so gut wie gar nichts zu bedeuten. Deshalb heißt gegen den SV Morlautern noch mal alle Kräfte mobilisieren und mit voller Konzentration das Pokalendspiel zu bestreiten.

Abschließend noch ein wenig Kabinengeflüster …

Auch eine kleine Anekdote hat Sandro „Sanny“ Rösner noch parat. Zeitpunkt: 2012 am heißesten Tag des Jahres, 19. August. Gegner der Wormatia im DFB-Pokalspiel: Hertha BSC Berlin. Ort der Handlung: Die Kabine der Heimmannschaft. Thema: Mannschaftssitzung vor dem Spiel. Die Teilnehmer: Alle Spieler, die Betreuer, drei Ärzte und fünf Physiotherapeuten. Der Protagonist: Wormatia-Trainer Ronny Borchers. Sein Anliegen: „Zu viel Trubel um ein Fußballspiel“, wie Ronny Borchers trocken bemerkt. Die Folge: Neuansetzung der Mannschaftssitzung fünf Minuten später im „üblichen Kreis“. Die Lehre daraus, wie es Sandro Rösner treffsicher formuliert: „Bloß nicht überdrehen, nichts anders machen.“ Dann kann man auch eine derart ansteckende Krankheit wie das Rotweiße Fieber beherrschen …

Das Gespräch mit Sandro Rösner führte Jürgen Jaap