Kampf, Einsatz, Leidenschaft: Wormatias 120-minütige Pokalschlacht bleibt unbelohnt

Der Favorit wankte, aber er fiel nicht. Ganz knapp schrammte der VfR Wormatia gestern Abend an einer weiteren Pokalsensation vorbei und musste sich erst im Elfmeterschießen der Kölner Profi-Kaltschnäuzigkeit geschlagen geben. Eine grandiose Pokalschlacht, die am Ende das glücklichere Team für sich entschied.

Adam Jabiri und Romas Dressler auf Krücken, Lucas Oppermann und Younes Bahssou nach langen Verletzungspausen noch auf der Bank – die Situation im Sturm war auch gestern Abend noch nicht die Beste. So begann Martin Röser als einzige Spitze, was beim Auswärtssieg in Eschborn mit einem Doppelpack ja bereits prächtig funktioniert hatte, dahinter eine Dreierreihe mit Scipon Bektasi, Daniele Toch und Jacob Ammann. Gefahr ging von Wormatias Offensivabteilung zunächst aber keine aus. Viel Respekt hatte man vor den Profis des 1.FC Köln, die mit der richtigen Einstellung in die Partie gegangen waren und den Wormaten mit schnellem Kurzpassspiel höchste Konzentration abforderten. Erst im direkten Vergleich konnte man jetzt erkennen, wie behäbig die Berliner damals in der ersten Runde wirklich agierten. Die Hoffnung auf eine neuerliche Sensation, sie sank schon in den ersten Minuten. Ujah und Chihi sorgten mit den ersten Torschüssen für Gefahr und nach einer Viertelstunde schienen sich die Befürchtungen zu bestätigen. Schuss von Ujah und Chihi staubt ab – Tor! Hätte nicht Schiedsrichter Hartmann auf Abseits entschieden. Den Bildern in der Sportschau nach zu urteilen eine glückliche Entscheidung aus Sicht der Wormaten. Das Spiel wäre mit diesem Tor wohl in standesgemäße Bahnen gelenkt worden. Stattdessen ließ der Kölner Druck nun langsam und unerklärlicherweise nach. Der Kölner Stadtanzeiger diagnostiziert, dass „der FC sich mit einem einfallslosen Querpass-Festival selbst die Spielfreude nahm“. In der Tat fiel den Gästen trotz aller technischen Finesse gegen sehr tief und sicher stehende Wormaten nicht viel ein. Glück, dass Ujah an einer Flanke vorbei flog (44.). Erst kurz vor dem Halbzeitpfiff die erste Wormser Chance: Bektasi versuchte es mit einem Schuss aufs kurze Eck, traf den Ball aber nicht voll. Bis dahin war Wormatia mit hohen Bällen in die Spitze erfolglos, weil Köln die Lufthoheit besaß. 31 Duelle in der Luft zählt die Statistik, gerade mal 6 konnten die Wormaten für sich entscheiden. Am Boden sah die Sache anders aus, hier gewann Wormatia 52% der Zweikämpfe. Weil die Kölner kaum Flanken in den Strafraum schlugen, war das der Hauptgrund, dass es mit 0:0 in die Kabinen ging.

„Was habt Ihr zu verlieren? Traut Euch was!“ dürfte Ronny Borchers seinen Schützlingen in der Kabine eingetrichtert haben. Sie gehorchten und ab sofort wurde es ein richtig packender Pokalabend. Der FC hatte offenbar überhaupt nicht einkalkuliert, dass der Viertligist plötzlich aufmuckt und mutig in die Offensive geht. Daniele Tochs Pass in die Gasse eröffnete sogleich eine Riesenchance, Martin Röser konnte den Ball jedoch nicht am herausstürzenden Torwart Horn vorbeispitzeln (48.). Weitere gute Aktionen folgten, das Stadion wurde wach und plötzlich schien die Sensation doch im Bereich des Möglichen zu liegen. Die irritierten Kölner verloren mehr und mehr Bälle im Spielaufbau, die Wormaten leiteten, angetrieben vom immer euphorischeren Publikum, sofort beherzte Konter ein. Der Respekt war abgelegt. Martin Röser hatte die nächste gute Chance und freie Schussbahn, zielte aber zu hoch (62.), ebenso wie Sandro Rösner per Kopf nach einem Freistoß (71.). Dazwischen lag eine Kölner Großchance, als Christoph Böcher bei einer Rettungstat den Ball zu Chihi grätschte und der diesen aus guter Position lediglich Richtung Gästeblock drosch (69.). Auch ohne Vereinsbrille kann man konstatieren, dass Wormatia im zweiten Durchgang die engagiertere und vielleicht sogar bessere Mannschaft war. In den letzten zehn Minuten startete Köln dann eine Schlussoffensive, blieb aber weiterhin recht konzeptlos und hatte lediglich einen Schuss ins kurze Eck durch Chihi vorzuweisen, dem Kevin Knödler im Weg stand (79.). So ging es in die Verlängerung.

Wer dachte, die Kölner Profis würden nun ihre konditionelle Überlegenheit ausspielen, sah sich erneut getäuscht. Es waren die Wormaten, die weiterhin engagierter zu Werke gingen und aufopferungsvoll kämpften, grätschten, rannten. Und durch den eingewechselten Oppermann die größte Chance des Spiels hatten. Wunderbar von Tim Bauer in Szene gesetzt, ging Oppermanns Schuss nur Zentimeter am langen Pfosten vorbei (92.). Den Torschrei hätte man wohl bis auf den Allerheiligenmarkt gehört, doch auch so hielt es die begeisterten Tribünenbesucher kaum noch auf ihren Sitzen, ganz zu schweigen von der Stimmung auf den Stehrängen, sofern Wormatia-Fan. Lucas Oppermann sorgte für viel Belebung und kurz vor Schluss noch einmal für erhöhten Adrenalinpegel, verpasste aber an der Strafraumkante den richtigen Moment zum Abschluss (115.).

Der Sieger musste letztendlich im Elfmeterschießen gefunden werden. Gerne wird dieses als Glücksspiel bezeichnet, weil die Chancen zum Sieg nun vermeintlich fünfzig-fünfzig stehen. Doch auch vom Elfmeterpunkt sollte ein Profiteam normalerweise im Vorteil sein. Von der besseren Schusstechnik und –kraft einmal abgesehen, betrifft das vor allem die mentale Seite. Während die Profis sicher sein können, auch im nächsten Jahr wieder im DFB-Pokal zu kicken, hängt für die Amateure und Halbprofis der größte Erfolg ihrer Karriere an der Nervenstärke vom Elfmeterpunkt. Chihi, Lehmann und Matuschyk zimmerten ihre Elfer dementsprechend in den Winkel, Rösner, vor allem Bauer und Steil taten es ihnen mit Wucht gleich. Während bei Köln lediglich Bigalke nur den Pfosten traf, scheiterten Kevin Wittke und Marcel Abele an Torwart Horn bzw. der Latte. Kölns Kapitän Brecko war es dann vorbehalten, den FC ins Achtelfinale zu schießen.

Es war am Ende ein glücklicher Sieg für den Favoriten in einer Partie, die genauso gut der Underdog für sich hätte entscheiden können, sei es in der regulären Spielzeit oder der Verlängerung. Der Spruch vom erhobenen Haupt und dem Sieger der Herzen, für Spiele wie diese wurde er erfunden. Was der VfR Wormatia gestern Abend gezeigt hat, war eine bärenstarke kämpferische Leistung, die Fußballdeutschland mit Respekt registriert hat und eine hervorragende Werbung für den Verein und die Stadt Worms darstellt. Bei aller Enttäuschung über den knapp verpassten sechsten Einzug der Vereinsgeschichte ins Achtelfinale: Am Ende überwiegt der Stolz über die grandiose Mannschaftsleistung an diesem unvergesslichen Pokalabend.

Tore: Fehlanzeige
Elfmeterschießen: 1:0 Rösner, 1:1 Chihi, 2:1 T. Bauer, 2:2 Lehmann, Horn hält gegen Wittke, 2:3 Matuschyk, 3:3 Steil, Bigalke an den Pfosten, Abele an die Latte, 3:4 Brecko
Gelb: Brecko
Zuschauer: 7.203 (ausverkauft)  Schiedsrichter: Hartmann (Wangen)

Wormatia Worms
Knödler – Böcher (106. Gopko), Steil, Rösner, T. Bauer – Wittke, Abele – Ammann, Toch (70. Oppermann), Bektasi – Röser (110. Feucht).

1.FC Köln
Horn – Brecko, Maroh (46. McKenna), Wimmer, Eichner – Lehmann, Strobl (117. Matuschyk) – Clemens, Chihi, Royer (61. Bigalke) – Ujah.

Statistik

Ballbesitz 36,7%:63,3%
Torschüsse 14:20
Ecken 1:9
Fouls 14:23
gewonnene Zweikämpfe (gesamt) 44%:56%
gewonnene Zweikämpfe (Luft) 19%:81%
gewonnene Zweikämpfe (Boden) 52%:48%

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