Die zwei Leben des Dieter Schroth

„Nachts im Traum bin ich immer schon geflogen.“ War es der kurze Moment der gefühlten Schwerelosigkeit? Das Loslassen der Sorgen? Der Wunsch nach Höhenflügen? Egal, was sich bei Dieter Schroth schon in ganz jungen Jahren manifestierte: Der in der Kapuzinerstraße aufgewachsene gebürtige Wormser ging bereits früh einen anderen Weg als „der Mainstream“. Während der „normale“ Fußballfreund ein Spiel ob der besten Übersicht gerne von der Mittellinie aus beobachtet, gab es für Dieter Schroth nur einen Lieblingsplatz: direkt hinter dem Tor aus der Perspektive des Torwarts. Mitfliegen, mitfühlen, lernen. Auch heute fliegt der Wormser immer noch. Aber nicht mehr „einfach nur“ im Tor, sondern mit dem Flieger durch die ganze Welt. Als Geschäfts- und Lebenspartner der schillernden Persönlichkeit Harald Glööckler hat es der ehemalige Regionalliga-Kicker, gelernte Industriekaufmann und Herrenausstatter zu internationalem Ruhm, Anerkennung und einem kleinen wohlverdienten Vermögen gebracht.

Dieter Schroth stammt aus einfachsten Verhältnissen und darf wohl guten Gewissens als Selfmademan bezeichnet werden. Vater Heinz war Maurer, hat lange Jahre die Jugend-Teams der Wormatia betreut, und in den 60er Jahren den Jugendraum am Vereinsheim – natürlich ehrenamtlich – gemauert. Mutter Else kümmerte sich während des Krieges um die Hockey-Abteilung von Wormatia Worms, die es zu jener Zeit noch gab. Sie hielt diese damals am Leben. 15 Jahre war ich jeden Tag auf dem Fußballplatz“, erinnert sich Dieter Schroth mit einem kleinen nachfolgenden Stoßseufzer an die Jugend-Jahre zurück. „Ach ja, das war die schönste, weil so unbeschwerte Zeit meines Lebens.“ Ab mit dem Fahrrad ging’s zuerst einige Jahre zum Kicken ins Wormser Wäldchen zu Alemannia Worms, ehe der „geborene Torwart“  ab dem 14. Lebensjahr für die Jugend-Teams des VfR Wormatia Worms, C-, B- und A-Jugend und dann ein Jahr bei den Amateuren den Kasten hütete.

Logische Konsequenz einer vom Vater stets geförderten Karriere („Er hatte mir für die Fußballspiele einen gebrauchten Renault Dauphine für 2.000 DM gekauft, den Papa mit 50 Mark im Monat abstotterte. Ich hab’ das Auto bei einer Auswärtsfahrt des VfR in Guntersblum auf der Heimfahrt zerlegt und musste wieder Fahrrad fahren.“): Dieter Schroth wurde mit 19 Jahren Vertragsspieler und brachte es als ganz junger Spund nach dem Gewinn der Südwestmeisterschaft in der A-Jugend und als Spieler der A-Jugend-Südwestauswahl immerhin auf 12 Einsätze in der Regionalliga-Mannschaft des VfR. Was Dieter Schroth nach wie vor fuchst: „Trainer Karl-Heinz Schmal hat mich, nachdem ich in der Vorbereitung überzeugend alle Spiele als Nummer eins bestritten hatte und so auch in die Saison ging, nach einem Patzer im ersten Spiel der neuen Saison gegen den FV Speyer in der 70. Minute ausgewechselt und sofort fallen lassen. Sowas gab es damals nie. Das war für mich als 20-Jähriger vor allem eine psychische Katastrophe. Ich fühlte mich total allein gelassen – und war es auch. Ich wurde zum ersten Mal in meinem Leben mit einem Problem konfrontiert.“ Dieter Schroth saß dann noch fast zwei Jahre loyal bei seiner geliebten Wormatia auf der Bank, ehe er den Schritt zum Regionalliga-Konkurrenten VfR Frankenthal wagte, wo der sportliche Durchbruch gelang und er in zwei Jahren alle 60 Spiele als unumstrittene Nummer eins im Tor bestritt.

Apropos Durchbruch: Sportlich wie geschäftlich ging der Wormser nach der abgeschlossenen dreijährigen Lehre als Industriekaufmann bei der Maschinenfabrik Friedrich Horn in Worms in der Hafenstraße schnell ins Risiko. Er machte sich selbstständig, gründete 1973 als Stamm-Keeper des VfR Frankenthal das Café CAN, das es heute nach 45 Jahren immer noch genauso eingerichtet und am gleichen Platz in der Speyerer Straße gibt, dem dann ebenfalls in Frankenthal die Herren-Boutique „Can-Boutique for Men“ folgte. „Richtig ausgekannt hab’ ich mich damit nicht“, räumt er ein, „aber Verkaufen liegt mir im Blut.“ Gleichwohl stand der lebensfrohe und voller Menschlichkeit nur so strotzende Mann alsbald vor einer echten Lebenskrise. Mit der Profi-Karriere als Fußballer wurde es nichts. „Nach meinem Wechsel vom VfR Frankenthal zum SV Alsenborn wurde die 2. Bundesliga eingeführt, zu der sich auch Wormatia qualifizierte. Mein damaliger Verein SV Alsenborn war sportlich eindeutig aufgestiegen. Wir unterschrieben Lizenz-Verträge. Aus heiterem Himmel wurde dann statt dem SV Alsenborn der 1. FC Saarbrücken genommen, da dieser Verein angeblich finanziell stärker war. Wir waren draußen. Ich war damals 26 Jahre alt und so enttäuscht, dass ich von heute auf morgen die Fußballstiefel an den Nagel hing. Und es kam viel zusammen in dieser Zeit. Die Ehe, aus der zwei Töchter hervor gingen, zerbrach. Ich musste meine Geschäfte aufgeben. Ich war ganz unten!“, zog Dieter Schroth schonungslos eine Zwischenbilanz seines (ersten) Lebens.

Der 38-Jährige tanzte sich, was er zuvor nie machte, ein Jahr lang in Discos den Frust aus dem Leib, um in dieser irrealen Welt seine Sorgen zu vergessen. Fluch und Segen zugleich, denn damit begann 1987 sein zweites Leben. „Ich habe Harald Glööckler in einer Mannheimer Disco kennengelernt. Das war Schicksal. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge.“ Die gemeinsame Herren-Boutique „Jeans Garden“ in Stuttgart entstand. Beim Kaffee dann die zündende Idee: „Nennen wir unseren Laden statt Jeans Garden jetzt POMPÖÖS  und dazu unsere eigene Modemarke ebenfalls so.“ Dieter Schroth erinnert sich an einen Augenblick, der die Vorurteile und Fallstricke, die der „bunte“ und geniale Mode-Designer Harald Glööckler und sein kaufmännischer Weggefährte überwinden mussten, wie kaum ein anderer Moment dokumentiert. „Ei Emma, guck’-e-mol do! Pompöös, un ach noch falsch geschriwwe mit zwei Ö֓, riefen zwei ältere Damen Harald und Dieter entsetzt zu, als diese ihr neues Modelabel (aus Pappe) am Geschäft in Stuttgart montierten. Der Beginn einer Erfolgsstory, die heute mit vielen Lizenzen mit großen Firmen in aller Welt, mit GLÖÖCKLER-Produkten alleine bei Tapeten in 80 Ländern noch längst kein Ende der markanten Marke mit der goldenen Krone erreicht hat.

„Mit fast 70 Jahren schaut man aber schon einmal zurück“, bekennt Dieter Schroth frei heraus, dass er sich vor einigen Jahren, nachdem er zusammen mit Harald Glööckler das Ch?teau Pompöös in Kirchheim an der Weinstraße bezog, unter der Woche einmal alleine in die EWR-Arena begab, um „Fotos zu machen und in der Jugend zu versinken“. Wormatia Worms hilft dabei, denn Vorstand Jochen Schneider per E-Mail, telefonisch oder per Smartphone und die vielen Informationen hauptsächlich von Vereinsarchivar Christian Bub, bei dessen Opa Christian Bub (damals Spielausschuss-Vorsitzender bei Wormatia „und ein ganz toller Mensch“) Dieter Schroth übrigens auch ein Jahr in Monsheim arbeitete, auf der Homepage, im Newsticker und auf der Facebook-Seite des VfR versorgen den am ehemaligen Fußball-Klub seines Herzens nach wie vor interessierten Geschäftsführer der „Harald Glööckler International GmbH, Berlin“ aus erster Hand. Viele freie Minuten sind Wormatia gewidmet – vielleicht auch deshalb, weil er dabei so unbeschwert und schwerelos „abheben“ kann, wie er es einst als Fußball-Torwart tat.