kicker.de | Ärger im Südwesten: Was passiert an der Regionalliga-Oberliga-Schnittstelle?

06.04.2021

Wie umgehen mit der Schnittstelle zwischen Regionalliga Südwest und den zugehörigen Oberligen? Um diese Frage ist nun ein Streit unter betroffenen Vereinen entfacht.

Während die viertklassige Regionalliga Südwest - als Quasi-Profiliga - ihre Saison 2020/21 aller Voraussicht nach beenden kann, wird die Corona-Spielzeit in den drei untergeordneten Oberligen abgebrochen. Fix ist das bereits in den beiden Teilstaffeln der OL Rheinland-Pfalz/Saarland, während in Baden-Württemberg und Hessen eine entsprechende Entscheidung nur mehr Formsache zu sein scheint. Nun aber gibt es Streit um die Frage nach möglichen Auf-/Absteigern. Der Württembergische Fußball-Verband hat - für manche Teams überraschend - die Möglichkeit in den Raum gestellt, die Oberliga Baden-Württemberg von einer in den Klassen darunter geltenden Saison-Annullierung auszusparen. Man schließe nicht aus, "einen Aufsteiger in die Regionalliga Südwest sowie einen Teilnehmer an den Aufstiegsspielen zu melden", so der Verband in einer Meldung an die Oberliga-Vereine.

Denn, so der Verband, die Spielordnung der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar sehe - anders als die der Schwesterstaffel BaWü - eine Quotientenregel unabhängig von einer Mindestanzahl an absolvierten Spielen vor. "Ein striktes Festhalten an einer Annullierung könnte dazu führen, dass die dortigen Vereine eine Aufstiegsmöglichkeit haben, während diese den Vereinen aus Baden-Württemberg versagt bliebe", so der Verband, der eine solche Ausnahmeregelung auch formaljuristisch in seiner Spielordnung verankert sieht. Hinzu käme, dass auch die Regionalliga insgesamt sechs Absteiger ermitteln werde, die die drei nachgeordneten Oberligen aufnehmen müssten.

Die Regionalligisten wehren sich

Diese Gemengelage sorgt bei einigen Regionalligisten für Verstimmung. In einem offenen Brief kritisiert Rafael Kowollik, Geschäftsführer des FC 08 Homburg und Sprecher der Vereine der Regionalliga Südwest, die Pläne: Natürlich habe die Liga von den geplanten sechs Absteigern schon vor Rundenbeginn gewusst, allerdings war "davon auszugehen, dass die RL Südwest und auch die darunter spielenden Oberligen entweder alle spielen oder eben nicht." Durch die Einstufung der Politik der Regionalliga Südwest als Profiliga sei hier ein klarer Schnitt festgelegt worden. "Es stößt auf breites Unverständnis, dass am Ende einer Mammutsaison mit 42 Ligaspielen im Juni 2021 sechs Vereine direkt aus der RL Südwest absteigen müssen, während drei oder gar vier Vereine aus den darunterliegenden drei Oberligen bzw. deren Teilstaffeln auf Basis einer Rumpfsaison Aufsteiger benennen und eventuell gar am am grünen Tisch aufsteigen", so Kowollik.

Auch, dass "Satzungs-Hintertürchen" nun eine solche Lösung ermöglichen, stört den Funktionär. Ein Verband presche vor und benenne einen Verein als RL-Aufsteiger, die anderen Oberligaträger zögen "in bestmöglicher Dehnung ihrer Satzungen" nach, um ihre Rechte zu wahren. "Das ist ein durchaus fragwürdiger Prozess. Es erweckt der Anschein, dass hier funktionärsbetriebene Sportpolitik regiert, nicht der Fußball mit seinen propagierten Werten", findet Kowollik.

Die Kickers reagieren verstimmt

Auf diesen offenen Brief nun reagierte Rainer Lorz, Präsident der Stuttgarter Kickers, als aktueller Tabellenzweiter der Oberliga BaWü Kandidat für die angedachte Relegation für den Regionalliga-Aufstieg. Lorz stellt dabei nicht nur die Frage in den Raum, für welche Vereine der Liga Rafael Kowollik, als "Geschäftsführer eines selbst betroffenen Vereins", überhaupt spräche, sondern kontert auch dessen Einlassungen: "Allen Regionalligisten war beim Saisonstart am 5. September 2020 bewusst, unter welchen Regularien sie diese Saison spielen. Nämlich, dass sechs Vereine absteigen werden. Und dies vor allem, weil die Regionalliga beim Abbruch in der vergangenen Saison entschieden hatte, auf Absteiger zu verzichten. Aber nachdem jetzt sieben Monaten gespielt wurde, überlegt es sich 'ein Großteil der Vereine' plötzlich anders, weil er von der derart festgelegten Abstiegsregelung bedroht ist?"

Diese 'Regel' könne man jetzt natürlich beibehalten und alljährlich im April solche Briefe versenden, weil sich immer ein Großteil der Vereine fände, der gegen den Abstieg stimme, so ein verärgerter Lorz, "aber das hätte dann nichts mehr mit den Regeln des Fußballs in Deutschland und ebenso wenig mit dem ins Feld geführten Leistungsgedanken zu tun, sondern eher mit der Etablierung eines 'closed shop'."

Auch Reutlingen meldet sich zu Wort

Auch Kickers-Ligarivale SSV Reutlingen meldet sich zu Wort und kritisiert seinerseits die Oberliga-Spielkommission für ihre Pläne: Die baden-württembergischen Fußballverbände hatten in einem "durchaus vorbildlichen" Beteiligungsprozess im Februar die Vereine der Oberliga um Stellungnahme zu einem Vorschlag zur Änderung der Spielordnung gebeten, wonach die Meisterschaftsrunde annulliert wird, wenn nicht bis spätestens 09. Mai eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs stattfindet - und zwar mit der Folge, dass es weder Auf- noch Absteiger gibt", führt Karsten Amann, erster Vorsitzende des SSV, aus. "Wir als SSV haben diesen Vorschlag damals begrüßt. Er bot uns als Vereinen Klarheit und Berechenbarkeit", so Amann.

Den im Text enthaltenen 'Vorbehalt', wonach die Spielkommission der Oberliga dem Vorschlag der Annullierung noch zustimmen müsse, hätten die Vereine, Amanns Meinung nach, nur als Formalie empfinden können, doch "die Spielkommission hat nun offensichtlich bereits vor Wochen die Entscheidung getroffen, diesen Vorbehalt nicht aufzulösen, diese Entscheidung den Oberligavereinen aber bis zum 26. März nicht bekannt gegeben. Das bedeutet: Die Verbände haben Vertrauen in die Neuregelung geweckt. Die Oberligavereine haben aber einer Regelung vertraut, obwohl diese zu keinem Zeitpunkt wirksam war. Auch jetzt wäre es auf Basis der nun geltenden Spielordnung sogar möglich, dass die Spielkommission Absteiger festlegt. Selbst wenn sie davon absieht, wäre das Vertrauen in einen Nichtabstieg bei manchen Vereinen aktuell gefährdet", kritisiert Amann.

Er merkt an: "Wenn die Oberliga einen Aufsteiger und einen Relegationsteilnehmer benennt, könnte dies nach unserer Auffassung juristisch angreifbar sein." Sein Verein plädiere daher dafür, keinen Aufsteiger und keinen Relegationsteilnehmer der Oberliga Baden-Württemberg zu benennen oder einen Aufstieg in die Regionalliga in dieser Saison generell auszuschließen: "Das wäre der konsequenteste Schritt. Wenn erst ein Drittel der Saison gespielt ist, ist eine faire sportliche Aufstiegsentscheidung schlicht nicht möglich."